Seminararbeit im Nebenfach
Allgemeine Sprachwissenschaft
Universität Bern
Eingereicht bei Prof. I. Werlen
INHALT:
1. Einleitung
2. Das europäische Umfeld
3. Die Charta der Regional- und Minderheitensprachen
4. Die Schweiz
4.1. Kanton Graubünden
4.1.1. Rätoromanisch
4.1.2. Italienisch
4.2. Kanton Tessin
4.2.1. Italienisch
5. Schlussbemerkungen
6. Bibliographie
7. Anhang:
Text der Europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen
1. EINLEITUNG
Mein
Interesse an der sprachlichen Vielfalt Europas brachte mich dazu, mich näher
mit der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen zu befassen.
Diese leistet ihren Beitrag als gesamteuropäischer Lösungsansatz zur Erhaltung
bedrohter Sprachen und soll somit auch zum Schutz regionaler kultureller Besonderheiten
beitragen.
In
dieser Arbeit soll dem institutionellen Rahmen der Charta, dem Europarat, und
der damit verbundenen Einbindung in die gesamtheitliche Politik des Europarates
besondere Beachtung geschenkt werden.
Die
tatsächliche Umsetzung dieser Charta, die Ende der achziger Jahre noch utopisch
erschien, wurde mit der Unterschrift von 12 Staaten im November 1992 in die
Wege geleitet. Der Weg der Ratifizierung bei den einzelnen Staaten erwies sich
jedoch als harzig und es dauerte mehr als 5 Jahre, bis die Charta von genügend
Staaten unterzeichnet war, um in Kraft zu treten.
Mit
der Ratifizierung durch 6 Staaten im Jahre 1998 ist eine wichtige Hürde
genommen worden, aber ebenso wichtige Entscheide stehen noch aus. Dabei ist der
Europarat auf die Bereitschaft und die guten Absichten der Mitgliederländer
angewiesen, damit die beabsichtigten Massnahmen Wirkung zeigen. Dabei zeigt
sich, dass die Sprachpolitik in einigen Staaten eng mit der Minderheitenfrage
verbunden ist.
Primär
geht es darum, die durch die Charta vereinheitlichte Rechtsgrundlage zum Schutz
von Regional- und Minderheitensprachen in möglichst vielen europäischen Ländern
zu verankern, damit die Charta wirklich europäischen Charakter erhält. Ich
denke, dass man den Erfolg der Charta daran messen wird, in wievielen
europäischen Ländern sie übernommen wird. Dabei ist dies ja nur der erste
Schritt, der Rahmen, innerhalb dessen die Nationalstaaten Massnahmen treffen
sollen zum Wohle der Regional- und Minderheitensprachen auf ihrem Territorium.
Den Nationalstaaten bleibt dabei ein grosser Spielraum, um zu bestimmen, wie
stark sie sich engagieren wollen. Die gewählte Art der Massnahmen und ihre
tatsächliche Umsetzung werden der eigentliche Gradmesser des Erfolges der Charta
sein. Dies soll in dieser Arbeit besonders für die Schweiz festgestellt werden.
Für eine abschliessende Beurteilung ist es aber angesichts der kurzen Zeit,
welche die Charta in Kraft ist, zu früh. Erst in einigen Jahren wird man
feststellen können, ob die Charta tatsächlich zu besonderen Massnahmen führt,
welche zum Schutz der Regional- und Minderheitensprachen beitragen.
2. DAS EUROPÄISCHE UMFELD
Europarat: Geschichte
Der Europarat wurde am 5. Mai 1949 in London als erste der großen
europäischen Nachkriegsorganisationen gegründet. Die 10 Gründerländer
(Frankreich, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Grossbritannien, Irland, Italien,
Dänemark, Schweden und Norwegen) haben Strasbourg als dauerhaften Sitz des
Europarates gewählt. Das Ziel des Europarates, festgelegt in seinen Statuten,
ist es, unter den Mitgliedern eine grössere Einigkeit, vor allem in
Rechtsangelegenheiten zu schaffen. Das Europa des Europarates ist zuallererst
das Europa des Rechts, wobei es hier hauptsächlich um die Verteidigung des Bürgers
in seinen Menschen- und Freiheitsrechten geht. Besonders wichtig sind dabei die
Europäische Menschenrechtskonvention von 1950 und der europäische Gerichtshof
für Menschenrechte. Daneben gibt es viele weitere Konventionen und
Rechtssetzungsakten, die europaweit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
vertiefen und sichern helfen.
In den 50er- und 60er Jahren sind 8 weitere
Staaten (Griechenland, Island, Türkei, Deutschland, Oesterreich, Zypern,
Schweiz und Malta) dem Europarat beigetreten. Institutionen und Strukturen
haben sich in dieser Zeit graduell weiterentwickelt; so wurde zum Beispiel 1961
die Europäische Sozialcharta, die zu verschiedenen Gesetzesanpassungen führte,
verabschiedet.
Seit dem Beitritt Finnlands 1989 deckt der
Europarat ganz Westeuropa ab, wobei man sich schon damals bewusst war, dass die
europäische Identität und Kultur nicht an den Grenzen zu Osteuropa aufhört. So
machte es sich der Europarat zur Aufgabe, die Annäherung und Demokratisierung
der osteuropäischen Staaten aktiv zu fördern. Spezielle Programme sollten
helfen, Reformen auf legislativer und judikativer Ebene umzusetzen und ein
demokratisches Bewusstsein zu schaffen.
Waren 1989 dreiundzwanzig europäische Staaten Mitglieder des
Europarats, so sind es heute über vierzig.
Mit dem Beitritt Russlands 1996 wurde der Europarat vollends eine
pan-europäische Institution, die sich bei zunehmender Komplexität einer
Vielzahl neuer Herausforderungen und Problemen gegenübersieht, die es zu
bewältigen gilt. Um die demokratische Sicherheit und gegenseitiges Vertrauen zu
festigen, wurden die Unterstützungs- und Monitoring-Aktivitäten verstärkt.
Europarat: aktuelle Politik
Grundlage der Politik des Europarates sind seine Verbundenheit mit
pluralistischen, demokratischen Prinzipien, die Achtung der Menschenrechte, die
Rechtsstaatlichkeit und die Verpflichtung der Mitgliederländer, sich an die
Regeln der Organisation zu halten.
Der Europarat sieht sich in der Rolle, Grundlagen und Standards
(vor allem im Bereich der Menschenrechte) vorzugeben, und die Umsetzung der
entsprechenden Konventionen zu fördern, sowie das gemeinsame europäische
Kulturerbe zu bewahren.
Der Europarat besteht aus drei Gremien, nämlich
-
aus
dem Ministerkomitee, welches die wichtigen Entscheide fällt. Dem Komitee
gehören die Aussenminister der Mitgliederländer an;
-
aus
der parlamentarischen Versammlung, die viermal jährlich ihre Sessionen abhält
und aus 286 Vertretern der Mitgliederländer besteht. Es werden dabei die
verschiedensten sozialen Themen debattiert und dem Ministerkomitee Empfehlungen
gemacht;
-
aus
dem Kongress der lokalen und regionalen Autoritäten Europas, der wie die
parlamentarische Versammlung aus 286 Repräsentanten (und ebensovielen
Ersatzleuten) besteht. Der Kongress besteht aus zwei Kammern, von denen die eine
die lokalen Autoritäten und die andere die regionalen Autoritäten
repräsentiert.
Mit über 40 Mitgliederländern vertritt der Europarat eine Politik
der Integration; er bemüht sich darum, die Politiken der Mitgliederländer zu
harmonisieren und ermutigt dazu, gemeinsame Praktiken und Standards zu
übernehmen. Zu diesem Zwecke werden Politiker aller Ebenen zusammengebracht, um
Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Mehr als 160 europäische Konventionen
dienen als Basis, um die Gesetzgebung der Mitgliederländer zu reformieren und
harmonisieren.
Besonders erwähnenswert sind dabei
-
die
europäische Menschenrechtskonvention, welche dazu dient, die individuellen Rechte und Freiheiten zu
schützen. Mit dem (seit 1998 permanenten) europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
wurde dazu eine starke institutionelle Basis geschaffen;
-
die
europäische Sozialcharta,
welche zu Gesetzesreformen in Bereichen wie Arbeiterschutz, Familie und
Sozialversicherungen führte;
-
die
europäische Konvention zur Folterprävention, welche es einem unabhängigen Komitee erlaubt unangekündigte
Besuche in den Gefängnissen Europas zu machen;
-
die
europäische Kulturkonvention,
welche als Basis für internationale Kooperation in den Bereichen Bildung,
Kultur, Jugend und Sport dient.
Der Europarat setzt seine Prioritäten in verschiedenen sozialen
Bereichen:
-
Einhaltung
der Menschenrechte, besonders gegenüber nationalen Minderheiten,
-
Presse-
und Informationsfreiheit fördern,
-
Richtlinien
für eine grössere soziale Gerechtigkeit in Europa und einen besseren Schutz für
die sozial Schwachen durchsetzen,
-
der
Jugend auf dem Bildungswege demokratische Werte vermitteln,
-
eine
kulturelle europäische Identität schaffen und den Schutz des Kulturerbes
fördern,
-
mit
Informationskampagnen den Umweltschutz fördern,
-
die
demokratischen Prozesse auf lokaler und regionaler Ebene zu stärken und
Kooperation organisieren,
-
die
nationalen Gesetzgebungen in Bezug auf aktuelle Themen wie Korruption,
organisiertes Verbrechen, neue Informationstech-nologien und Bioethik
modernisieren und harmonisieren.
Mit der beginnenden Demokratisierung der Staaten Osteuropas anfangs
der neunziger Jahre haben sich dem Europarat neue Möglichkeiten aufgetan, wo er
aktiv werden konnte.
Für die osteuropäischen Länder wurden spezielle Kooperations- und
Hilfsprogramme eingeführt, um diesen Ländern bei ihren demokratischen Reformen
und Gesetzgebungsanpassungen beizustehen.
Parallel dazu bedeutete der Vertrag von Maastricht 1992 ein
weiteres Näherkommen westeuropäischer Staaten; die Einheit Europas auf
politischer Ebene wurde weiter vorangetrieben; damit verbunden ist vor allem
ein wirtschaftliches Näherkommen. Während die Grenzen der Nationalstaaten dabei
an Bedeutung verloren, nahm gleichzeitig die Konkurrenz unter den europäischen
Regionen zu. Dies führte daher auch zu einer Rückbesinnung auf regionale
Stärken und Besonderheiten, und auch zu einem verstärkten Bemühen um die
Bewahrung der kulturellen Vielfalt Europas.
Nicht alle Regionen sind jedoch in der Lage, ihre kulturellen
Besonderheiten aus eigener Kraft gegenüber der Mehrheitskultur des jeweiligen
Landes zu erhalten und sind deshalb auf Unterstützung angewiesen. Es sind nicht
zuletzt die europäischen Sprachen, in denen sich Europas Elan und kulturelle
Vitalität wiederspiegelt. Der Europarat, der aktiv an einer Bewahrung dieser
kulturellen Vielfalt interessiert ist, verfügt mit dem Kongress der lokalen und
regionalen Autoritäten über ein entsprechendes Gremium, das lokale und
regionale Aspekte aus der Sicht der Gemeinden und Regionen diskutiert und
politisiert. Dazu gibt es Arbeitsgruppen, welche zwischen den Plenarsessionen
des Kongresses an den verschiedensten Themenbereichen arbeiten.
Der Kongress hat folgende Zielsetzungen festgelegt:
-
effiziente
lokale und regionale Regierungsstrukturen in allen Mitgliederländern,
-
Untersuchung
der Situation lokaler und regionaler Demokratie in den Mitgliederländern,
-
den
Bürgern demokratische Partizipationsmöglichkeiten geben,
-
Interessensvertretung
lokaler und regionaler Regierungen bei der Gestaltung europäischer Politik,
-
Integration
von Immigranten und benachteiligten Gruppen,
-
regionale
und grenzüberschreitende Kooperation,
-
Ueberwachung
lokaler und regionaler Wahlen.
Dazu gibt es klare gesetzliche Richtlinien, nämlich:
-
die
europäische Charta der lokalen Selbstregierung, welche als Modell für Reformen in den neuen
Demokratien dient und deren Prinzipien schon von einigen Staaten in die
Verfassung aufgenommen wurden;
-
die
europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen, welche zur Förderung dieser Sprachen als Teil
des europäischen Kulturerbes beiträgt;
-
die
europäische Konvention über die Partizipation von Ausländern im öffentlichen
Leben auf lokaler Ebene, die
ausländischen Mitbewohnern zunehmend zivile und politische Rechte einräumen
will;
-
die
europäische Städtecharta,
welche die Rechte der Bürger in europäischen Städten definiert und Leitlinien
in Bereichen wie Stadtmanagement, Transport, Energie und Umweltverschmutzung
vorgibt;
-
die
Charta über die Partizipation junger Leute im städtischen und regionalen Leben, welche die Jugend ermutigt, in für sie
relevanten Bereichen aktiv am öffentlichen Leben teilzunehmen.
3.
DIE CHARTA DER REGIONAL- UND MINDERHEITENSPRACHEN
Absicht
der Charta:
Mit
der Entwicklung der europäischen Nationalstaaten im 19. Jahrhundert setzte sich
meist eine Landessprache durch, während andere Sprachen nur eine Minderheit der
jeweiligen Bevölkerung vertraten. Diese sprachliche und kulturelle Vielfalt ist
jedoch aus verschiedenen Gründen, wie Standardisierungs- und
Assimilationspolitik, gefährdet.
Die
Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
verbietet zwar jede Benachteiligung aufgrund der Sprache oder der Zugehörigkeit
zu einer nationalen Minderheit, aber dieses Diskriminierungsverbot reicht nicht
aus, um besonders gefährdete Sprachen zu erhalten und zu schützen.
Ziel
der Charta ist es, die Regional- und Minderheitensprachen zu schützen, nicht
jedoch die sprachliche Minderheit als solche. Der Schwerpunkt liegt dabei auf
der kulturellen Ebene, auf dem Gebrauch dieser Sprachen in allen Lebensaspekten
wie Bildung, Medien, Justiz, Verwaltung, kulturelle Tätigkeiten,
wirtschaftliches und soziales Leben, sowie im Kontakt über die Landesgrenzen
hinaus. Die Charta lässt die nationale und territoriale Souveränität aber
unangetastet.
Es
wird bewusst eine mehrsprachige, interkulturelle Lösung angestrebt, die jeder
Sprache ihren angemessenen Platz zuteilt. Dazu unterscheidet die Charta
zwischen Amtssprachen, als Sprachen der Mehrheit, und historisch gewachsenen
Regional- und Minderheitensprachen. Wenig verbreitete Amtssprachen können aber
auch als schützenswert erachtet werden.
Wichtig
zu wissen ist, dass die Charta nicht für Dialekte oder für die Sprache von
Zuwanderern gilt, obwohl auch diese Sprachen beachtliche Sprecherzahlen
aufweisen können.
Die
Charta erfasst vor allem Territorialsprachen, das heisst, Sprachen, die
üblicherweise in einem bestimmten geographischen Gebiet gesprochen werden; mit
diesem Gebiet ist auch der Sprachraum einer bestimmten Regional- oder
Minderheitensprache definiert. Ob der Staat Schutz- und Förderungsmassnahmen
ergreift oder nicht, hängt dabei von der Anzahl der Sprecher einer solchen
Sprache in ihrem historischen Gebiet ab.
Die
Charta stellt es den einzelnen Staaten frei, schutzwürdige Sprachen auch
ausserhalb ihres herkömmlichen Verbreitungsgebietes zu fördern.
Die
Charta ermöglicht Sprechern einer Minderheitensprache keine besonderen Individual-
oder Kollektivrechte, da kein vereinheitlichendes Recht geschaffen wird. Die
Charta schlägt nur programmatische Grundsätze vor und erlaubt den Staaten eine
grosse Auswahlmöglichkeit an Massnahmen, welche autonom, den eigenen
Bedürfnissen angepasst, übernommen werden. Somit bleibt es letztendlich jedem
einzelnen Staat überlassen, den Geltungsbereich der Charta zu definieren.
Diese
Auswahl trägt der Verschiedenheit der bedrohten Sprachen Europas Rechnung;
manche Sprachen weisen nur sehr geringe Sprecherzahlen auf und sind in ihrer
Existenz akut bedroht, andere Sprachen werden von mehr als einer Million
Menschen gesprochen und sind sehr vital.
Andererseits
ist der Schutz der Minderheitensprachen in einigen Staaten ein politisch
heikles Thema, da die Sprache als solche von den Sprechern, der Minderheit, nur
schwer zu trennen ist. Um die Charta den europäischen Staaten schmackhaft zu
machen, wird es ihnen überlassen, die Minderheitensprachen auf ihrem
Territorium zu definieren und geeignete Schutzmassnahmen zu bestimmen.
Inhalt
der Charta:
Der
Europarat erachtet den Schutz der
historisch gewachsenen Regional- oder Minderheitensprachen als besonders
wichtig im Hinblick auf die Erhaltung der Traditionen und des kulturellen
Reichtums Europas.
Zudem
wird das Recht auf den Gebrauch der Regional- oder Minderheitensprache im
privaten wie im öffentlichen Leben als unveräusserliches Recht des Einzelnen
gesehen, in Uebereinstimmung mit der
UNO-Konvention über bürgerliche und politische Rechte.
Betont
wird auch, dass der Schutz und die Förderung von Regional- oder
Minderheitensprachen sich nicht zum Nachteil der Amtssprachen und deren
Erlernen auswirken soll.
Teil
1 – Allgemeine Bestimmungen
Die
Charta definiert Regional- oder Minderheitensprachen als Sprachen,
-
die
herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses
Staates gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als
die der übrigen Bevölkerung des Staates,
-
die sich von der
(den) Amtssprache(n) dieses Staates unterscheiden.
Dabei
werden weder Dialekte der Amtssprache(n) des Staates noch die Sprachen von
Zuwanderern erfasst.
Jede
Vertragspartei verpflichtet sich, die Bestimmungen auf alle in ihrem Land
gebrauchten Regional- oder Minderheitensprachen anzuwenden. Benachteiligungen
einzelner Sprachen sollen damit vermieden werden.
Jede
Vertragspartei verpflichtet sich, mindestens 35 aus Teil 3 ausgewählte Absätze
oder Buchstaben anzuwenden, darunter mindestens je drei aus den Artikeln 8 und
12 und mindestens je einer aus den Artikeln 9, 10, 11 und 13.
Jeder
Vertragsstaat bezeichnet in seiner Ratifikationsurkunde die Regional- oder
Minderheitensprachen, sowie das entsprechende Territorium, auf das die
ausgewählten Bestimmungen angewandt werden.
Die
Charta lässt bereits bestehende vorteilhaftere Bestimmungen zum Schutze von
Regional- oder Minderheitensprachen unberührt. Ebenso wird die Souveränität und
territoriale Unversehrtheit der Staaten nicht tangiert.
Teil
2 – Ziele und Grundsätze
Die
Charta legt in Artikel 7 für die Politik, Gesetzgebung und Praxis der
Vertragsparteien folgende Ziele und Grundsätze fest:
-
die Anerkennung
der Regional- oder Minderheitensprachen als Zeichen des kulturellen Reichtums;
-
die Achtung des
Territoriums jeder Regional- oder Minderheiten-sprache;
-
die Notwendingkeit
entschlossenen Vorgehens zum Schutze der Regional- oder Minderheitensprachen;
-
die Erleichterung
der Verwendung von Regional- oder Minderheiten-sprachen in Wort und Schrift im
privaten wie im öffentlichen Bereich;
-
die Bereitstellung
geeigneter Mittel für das Lehren und Lernen, sowie für die Forschung im Bereich
der Regional- oder Minder-heitensprachen;
-
die Bereitstellung
von Einrichtungen zum Erlernen einer Regional- oder Minderheitensprache für
Personen, die auf deren Gebiet leben, aber die Sprache nicht sprechen;
-
die Förderung des
grenzüberschreitenden Austausches.
Bei
der Gestaltung ihrer Politik sollen die Vertragsparteien
-
die Bedürfnisse und
Wünsche von Sprechern der Regional- oder Minderheitensprachen miteinbeziehen,
-
Toleranz,
Verständnis und Achtung gegenüber den Regional- oder Minderheitensprachen
fördern.
Teil
3 – Massnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen im öffentlichen Leben
In
diesem Teil werden verschiedene Massnahmen unterschiedlichen Umfangs zur
Auswahl vorgelegt. Der Vertragsstaat hat selbständig für jede Regional- oder
Minderheitensprache und jedes entsprechende Territorium eine Auswahl zu
treffen.
Die
zur Auswahl stehenden Möglichkeiten erlauben eine Anpassung an die jeweiligen
örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse der Sprecher einer Regional- oder
Minderheitensprache.
Artikel 8 – Bildung
Artikel 8 Absatz 1
bietet eine Auswahl solcher Massnahmen für den Bildungsbereich, wobei für jede
Bildungsstufe eine geeignete Massnahme auszuwählen ist. Folgende Bildungsstufen
werden unterschieden:
vorschulische
Erziehung (a), Grundschulunterricht (b), Unterricht im Sekundarbereich (c),
berufliche Bildung (d), Hochschulbildung (e), Erwachsenen- und Weiterbildung
(f).
Im
weiteren stehen die Aus- und Weiterbildung der Lehrer (h) sowie die Ueberwachung der getroffenen
Massnahmen und der erzielten Fort-schritte (i)
zur Auswahl.
Artikel 8 Absatz 2
verpflichtet die Vertragspartei dazu, den Unterricht von Regional- oder
Minderheitensprachen auch auf anderen Gebieten als den herkömmlichen
zuzulassen, wenn die Anzahl der Sprecher einer Regional- oder
Minderheitensprachen dies rechtfertigt.
Artikel 9 – Justizbehörden
Artikel 9 Absatz 1
bietet eine Auswahl an Massnahmen im Justizbereich, im besonderen geht es
um den Gebrauch von Regional- oder
Minderheitensprachen in Gerichtsverfahren. Dabei wird zwischen Strafverfahren
(a), zivilrechtlichen Verfahren (b) und
Verwaltungs-gerichtsverfahren (c) unterschieden.
Artikel 9 Absatz 2
befasst sich mit der Anerkennung der Rechtsgültigkeit und Verwendung von im
Inland abgefassten Rechtsurkunden in einer Regional- oder Minderheitensprache.
Artikel 9 Absatz 3 verpflichtet
die Vertragsparteien, die wichtigsten Gesetzestexte des Staates, sowie
diejenigen, die sich besonders auf die Sprecher von Regional- oder
Minderheitensprachen beziehen, in diesen Sprachen zur Verfügung zu stellen.
Artikel 10 – Verwaltungsbehörden und öffentliche
Dienstleistungsbetriebe
Artikel 10 Absatz 1
sieht vor, dass die Verwaltungsbehörden in Gebieten, wo die Anzahl Sprecher
einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt, in zu bestimmendem Masse
die Regional- oder Minderheiten-sprachen gebrauchen (a),
Verwaltungsbestimmungen- und formulare in der Regional- oder
Minderheitensprache vorhanden sind (b).
Artikel 10 Absatz 2
betrifft den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen im Umgang mit
regionalen oder örtlichen Behörden in Bezug auf
-
den Gebrauch der
Sprache innerhalb der Behörden (a),
-
schriftliche
Anträge (b),
-
die
Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke (c,d),
-
den Gebrauch der
Sprache bei Ratsversammlungen (e,f),
-
den Gebrauch von
Ortsnamen in Regional- oder Minderheiten-sprachen (g).
Artikel 10 Absatz 3
bezieht sich auf den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen bei der
Bereitstellung öffentlicher Dienst-leistungen.
Artikel 10 Absatz 4
verpflichtet die Vertragsparteien, die erforderlichen Massnahmen zu treffen, um
Absätze 1 bis 3 umzusetzen.
Artikel 10 Absatz 5
ermöglicht den Gebrauch oder die Annahme von Familiennamen in den Regional-
oder Minderheitensprachen.
Artikel 11 – Medien
Artikel 11 Absatz 1
bietet eine Auswahl an Möglichkeiten, wie Radio und Fernsehen (a,b,c), Zeitungen (e) und eine journalistische
Ausbildung (g) gefördert werden können.
Artikel 11 Absatz 2
verpflichtet die Vertragsparteien dazu
-
den Empfang von
Radio und Fernsehen aus Nachbarländern zu erlauben,
-
die freie
Verbreitung von Informationen in den Printmedien nicht einzuschränken.
Wenn
aber die nationale Sicherheit oder die territoriale Unversehrtheit eines Landes
bedroht wird, kann der Staat über entsprechende Beschränkungen verfügen.
Artikel 11 Absatz 3
verlangt die Berücksichtigung von Interessen von Sprechern einer Regional- oder
Minderheitensprache in Gremien, die für die Gewährleistung der Pressefreiheit
zuständig sind.
Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
Artikel 12 Absatz 1
ermöglicht staatlichen Stellen
-
die Unterstützung
von kulturellen Werken in der Regional- oder Minderheitensprache (a),
-
Zugangsmöglichkeiten
zu solchen Werken zu fördern, auch mittels Uebersetzung und Synchronisation
(a,b),
-
bei kulturellen
Tätigkeiten den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen zu
unterstützen (d,e,f),
-
Uebersetzungs- und
Terminologieforschungsdienste zu fördern und finanzieren.
Artikel 12 Absatz 2
erlaubt es, kulturelle Tätigkeiten auch ausserhalb des tradtionellen
Verbreitungsgebiets von Regional- oder Minderheiten-sprachen zu unterstützen,
wenn die Anzahl Sprecher einer solchen Sprache dies rechtfertigt.
Artikel 12 Absatz 3
verpflichtet die Vertragsparteien, die Kultur und Sprache regionaler
Minderheiten bei der Kulturpolitik im Ausland entsprechend zu berücksichtigen.
Artikel 13 – wirtschaftliches und soziales Leben
Artikel 13 Absatz 1
dient dazu, Einschränkungen und Behinderungen im Gebrauch von Regional- oder
Minderheitensprachen aufzuheben, wie sie bei Arbeitsverträgen,
Gebrauchsanweisungen und anderen Urkunden im wirtschaftlichen und sozialen
Leben vorkommen können.
Artikel 13 Absatz 2
dient der staatlichen Förderung von Regional- oder Minderheitensprachen in bezug
auf Finanz- und Bankvorschriften (a), im Bereich der Wirtschafts- und
Sozialpolitik (b), in sozialen Einrichtungen (c), in bezug auf
Sicherheitsvorschriften und Verbraucherrechte (d,e).
Artikel 14 – Grenzüberschreitender Austausch
Mit
Artikel 14 soll die grenzüberschreitende Zusammenarbeit regionaler und
örtlicher Behörden, sowie Kontakte unter den Sprechern gefördert werden, wobei
vor allem in den Bereichen Bildung, Kultur und Information grenzüberschreitende
Übereinkünfte getroffen werden sollen.
Teil
4 – Anwendung der Charta
Die
Vertragsparteien sind verpflichtet, regelmässig über die Anwendung der
ausgewählten Bestimmungen von Teil 3 dem Generalsekretär des Europarates einen
Bericht vorzulegen. Der erste Bericht ist ein Jahr nach Inkrafttreten der
Charta für das betreffende Land fällig, weitere Berichte folgen alle drei
Jahre. Die Berichte werden veröffentlicht.
Die
vorgelegten Berichte werden von einem Sachverständigenausschuss geprüft, und
falls nötig, erarbeitet dieser die erforderlichen Empfehlungen des
Ministerkomitees für die jeweilige Vertragspartei.
Teil
5 – Schlussbestimmungen
Diese
Charta tritt in Kraft, wenn sie von mindestens fünf Ländern ratifiziert wurde,
nach einem Zeitraum von drei Monaten. Ländern, die später beitreten, steht
ebenfalls eine Uebergangsfrist von drei Monaten zu. Vobehalte dürfen nur zu
Artikel 7 Absätze 2 bis 5 angebracht werden. Jede Vertragspartei kann diese
Charta jederzeit kündigen.
Diese
Charta wurde von Finnland, Holland, Kroatien, Liechtenstein, Norwegen und Ungarn
ratifiziert und ist am 1. März 1998 für diese Länder in Kraft getreten.
4. DIE SCHWEIZ
Die
Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde von der Schweiz am 23.
Dezember 1997 ratifiziert und ist am 1. April 1998 in Kraft getreten. Im folgenden
soll der Weg, der zu dieser Annahme geführt hat, erläutert werden.
Bereits
in der Bundesverfassung von 1848 ist die Mehrsprachigkeit verankert; von
politischer Bedeutung wurde diese aber erst in der Zwischenkriegszeit: um dem
nationalsozialistisch geprägten Bild der Nation entgegenzuwirken, wurde am 20.
Februar 1938 Rätoromanisch als vierte Nationalsprache anerkannt.
Die
Anerkennung der Mehrsprachigkeit und die Erhaltung der sprachlichen
Minderheiten sind seit dieser Zeit zu einem wichtigen Element des
schweizerischen Selbstverständnisses und der nationalen Kulturpolitik geworden.
So unterstützt der Bund die Kantone Graubünden und Tessin und hat Massnahmen
getroffen, um das Italienische und Rätoromanische im Verkehr mit den
Bürgerinnen und Bürgern besser zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise wird
von Volk und Ständen mit der Aufnahme des Sprachenartikels (Art. 116 BV) in die
Bundesverfassung 1996 unterstützt:
Art.116
1 Deutsch, Französisch, Italienisch und
Rätoromanisch sind die Landessprachen der Schweiz.
2 Bund
und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch unter den
Sprachgemeinschaften.
3 Der
Bund unterstützt Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und
Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache.
4 Amtssprachen des Bundes sind Deutsch,
Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache
ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes. Das Gesetz regelt die Einzelheiten.
In
Artikel 70 der neuen Bundesverfassung 2000 wird die Bedeutung der Kantone in
Bezug auf den Schutz der Landessprachen hervorgehoben:
Art.70
1
Die Amtssprachen
des Bundes sind Deutsch, Französisch und
Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch
das Rätoromanische Amtssprache des Bundes.
2
Die Kantone
bestimmen die Amtssprachen. Um das Einvernehmen zwischen den
Sprachgemeinschaften zu wahren, achten sie auf die herkömmliche sprachliche
Zusammensetzung der Gebiete und nehmen Rücksicht auf die angestammten
sprachlichen Minderheiten.
3
Bund und Kantone
fördern die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften.
4
Der Bund
unterstützt die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen
Aufgaben.
5
Der Bund
unterstützt Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und
Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache.
Als
Amtssprachen des Bundes gelten alle vier Landessprachen; die Kantone sind dafür
verantwortlich, dass auf diese Sprachen in ihren traditionellen
Verbreitungsgebieten Rücksicht genommen wird. Daraus kann das
Territorialitätsprinzip abgeleitet werden, welches die Kantone dazu
verpflichtet, die Landessprachen zu schützen. Damit sind insbesondere die
zweisprachigen Kantone angesprochen, damit sie die Minderheitensprachen auf
ihrem Gebiet respektieren. Den Kantonen obliegt eine grosse Verantwortung in
den Bereichen Bildung, Justiz und Kultur und im Umgang der Bürger mit den
Verwaltungsbehörden.
Das
Bundesgericht anerkannte 1965 den schriftlichen und mündlichen Gebrauch der Muttersprache als
Verfassungsrecht; damit wird die Sprachenfreiheit gestärkt. Die
Sprachenfreiheit ist ein Individualrecht, das nicht an ein bestimmtes Territorium
gebunden ist. Der Bund verpflichtet sich deshalb auch, im Verkehr mit Personen
rätoromanischer Sprache deren Sprache zu benützen; im weiteren werden durch den
Übersetzungsdienst der allgemeinen Bundesverwaltung die amtlichen Texte auch ins Rätoromanische übersetzt.
Dem
Bund obliegt es im Rahmen des Legislaturprogrammes 1995-1999 die Verständigung
und den Austausch der Landessprachen weiter zu fördern und die Kantone
entsprechend zu unterstützen.
Einen
wichtigen Beitrag zur Förderung der Landessprachen leistet die Schweizerische
Radio- und Fernsehanstalt (SRG), welche auch die Interessen der rätoromanischen
Sprachgemeinschaft bei der Programmgestaltung für die Deutschschweiz und das
Tessin zu berücksichtigen hat.
Die
weitreichenden Aktivitäten der Schweiz zum Schutz der Minderheitensprachen veranlassten
den Bundesrat zur Feststellung, dass die Ziele und Grundsätze der Europäischen
Charta der Regional- und Minderheitensprachen bereits weitgehend abgedeckt
sind.
Der
Bundesrat unterzeichnete die Charta am 9. Oktober 1993 und eröffnete das Vernehmlassungsverfahren
bei den Kantonen am 13. Oktober 1993. Im Parlament stand damals gerade die
Diskussion um den neuen Artikel 116 der Bundesverfassung an; deshalb votierten
14 Kantone (ZH, LU, SZ, OW, NW, GL, BS, SH, AI, SG, VD, NE, GE, JU) dafür, die
Annahme des neuen Verfassungsartikels abzuwarten und die Vernehmlassung zu
verschieben.
Sechzehn
Kantone sprachen sich grundsätzlich für eine Ratifizierung der Charta aus, nur
zwei Kantone (AI, NE) lehnten dies ab. Zwei Kantone (BE, AG) fügten Französisch
als zu schützende Sprache hinzu; vier Kantone (FR, SO, BL, VS) führten nur
Rätoromanisch an. 2 Kantone (BS, SG) warfen das Problem der Zigeunersprachen
und des Jiddischen auf.
Unter
diesen Umständen wurde beschlossen, erst nach Aufnahme des neuen Sprachenartikels
in die Bundesverfassung ein neues Vernehmlassungsverfahren durchzuführen.
Dieses wurde am 30. Mai 1996 eröffnet. Dabei befürworteten 17 Kantone (AG, NW,
VD, JU, GE, FR, ZH, OW, AR, LU, UR, SG, NE, BE, GR, BL, TI) das Rätoromanische
und das Italienische als Minderheitensprahen im Sinne der Charta zu erklären. 7
Kantone (BS, SO, SZ, TG, ZG, SH, VS) verzichteten auf eine erneute
Stellungnahme und 2 Kantone (AI, GL) lehnten die Ratifizierung ab, weil sie der
Meinung waren, dass die bestehende Gesetzgebung ausreiche und der Beitritt zu
einem internationalen Vertragswerk überflüssig sei.
7
Kantone (NW, VD, ZH, BS, TG, NE, SG) merkten an, dass es auf ihrem Territorium
keine Minderheitensprachen gebe und die Charta sie deshalb nicht betreffe. 2
Kantone (JU, TI) optierten für einen Schutz der Minderheitensprachen auch
ausserhalb deren traditionellen Verbreitungsgebieten.
Der
Bundesrat hält fest, dass die Charta nicht in erster Linie auf die Schweiz
anwendbar ist (Artikel 1 Absatz a ii), sondern erst hinsichtlich der Kategorie
der weniger verbreiteten Amtssprachen, die als schützenswert erachtet werden.
Der Bundesrat erachtet Rätoromanisch und Italienisch als diejenigen
Landessprachen, die aus dieser Charta einen echten Nutzen ziehen können.
Rätoromanisch
ist die einzige Amtssprache, die auf kein sprachliches Hinterland zählen kann.
Die Erhaltung und Erneuerung der Sprache muss deshalb von der rätoromanischen
Bevölkerung selbst ausgehen.
Italienisch
hingegen, das auf ein starkes sprachliches und kulturelles Hinterland
zurückgreifen kann, befindet sich in der Schweiz in einer Peripherielage,
wodurch leicht Benachteiligungen entstehen können; vor allem in der
Berufsbildung, wo Italienisch zugunsten anderer Sprachen zurückgestellt wird,
ist dies der Fall.
Der
Bundesbeschluss vom 25. November 1996 zur Annahme der Europäischen Charta der
Regional- und Minderheitensprachen bedeutet für die Schweiz kein besonderes
zusätzliches Engagement, denn sie hat ja bereits früher Massnahmen zum Erhalt
und zur Förderung der rätoromanischen und italienischen Sprache ergriffen. Es
werden vom Bund aufgrund des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 1995 und der
Verordnung vom 26. Juni 1996 Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin in
folgenden Bereichen unterstützt:
-
allgemeine
Massnahmen der Kantone;
-
Organisationen und
Institutionen, welche überregionale Aufgaben der Erhaltung und Förderung der
rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur wahrnehmen,
insbesondere die Lia Rumantscha;
-
Verlagstätigkeit
in der rätoromanisch- und italienischsprachigen Schweiz;
-
Rätoromanische
Presse, über eine rätoromanische
Nachrichten-agentur.
Die
Förderungstätigkeit wird von den Kantonen Graubünden und Tessin finanziell mitgetragen.
Sie sind für den Gesetzesvollzug zuständig und richten jährlich ein Gesuch um
Finanzhilfe an den Bund. Die Annahme der Charta führt zu keinem finanziellen
Mehraufwand.
Die
Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Sprachpolitik wird durch
die Charta nicht tangiert.
Die
Charta setzt keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation voraus und
kann jederzeit gekündigt werden.
Der
Bundesrat betont, dass die Annahme dieser Charta für die Schweiz vor allem
bedeutet, dass sie zeigt, dass sie sich für die Anliegen sprachlicher
Minderheiten einsetzt und die kulturelle Vielfalt Europas achtet.
Der
Bundesbeschluss zur Annahme der Europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen wird 1997 zuerst dem Ständerat und dann dem Nationalrat
vorgelegt. Die behandelden Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur
der beiden Räte empfehlen den Beschluss zur Annahme.
Der
Ständerat berät in der Sommersession 1997 am 18. Juni über diesen
Bundesbeschluss (Amtliches Bulletin,
1997, Bundesversammlung: Ständerat – Sommersession):
Ständerat
Theo Maissen (GR) erläutert, dass der Schutz der Minderheiten ein wichtiger
Aspekt des schweizerischen Föderalismus ist. Maissen benennt die wirtschaftliche Entwicklung, die
Zentralisierung und die schlechte Situation der Bundesfinanzen als Ursachen,
welche die föderativen Strukturen der Schweiz gefährden und deshalb eine
besondere Förderung regionaler Strukturen und Sprachen erforderlich machen.
Dies wird auch nicht bestritten; ebenso herrscht bei Befürwortern und Gegnern
der Charta ein Konsens darüber, dass die Schweiz die Erfordernisse der Charta
bereits zur Genüge erfüllt.
Ständerat
Carlo Schmid (AI) als ein Gegner des Beschlusses, wirft die Frage auf, warum
die Schweiz der Charta dann überhaupt beitreten soll. Er argumentiert, dass
alle Anforderungen ja bereits erfüllt werden und dass die Charta der Schweiz
deshalb nichts nützt und dass die Schweiz international keine Vorreiterrolle
übernehmen soll. Mit dieser Sicht der Dinge bleibt Carlo Schmid allerdings
alleine. Unter den übrigen Ständeräten herrscht Einigkeit darüber, dass die
Schweiz mit der Ratifizierung der Charta ihrer Solidarität mit anderen
sprachlichen Minderheiten in Europa Ausdruck verleiht. Es wird auch betont,
dass die Charta eine sehr helvetisch geprägte Sicht eines Konzeptes Europas
vermittelt. Bundesrätin Ruth Dreifuss verleiht auch ihrer Hoffnung Ausdruck,
dass in Zukunft auch ein Erfahrungsaustausch unter den betroffenen Ländern
hilfreiche Erkenntnisse vermitteln wird.
Um
die Charta den Ständeräten schmackhaft zu machen, spricht Ständerat Andreas
Iten (ZG) auch einige wichtige Punkte an, die von der Charta nicht verlangt
werden, nämlich:
-
die Charta gilt
nicht für die Sprachen von Zuwanderern;
-
die Charta
begründet keine individuellen oder kollektiven Rechte für Personen, welche eine
Regional- oder Minderheitensprache sprechen. Die Förderung der Regional- oder
Minderheitensprachen beschränkt sich auf ihr ursprüngliches Verteilungsgebiet;
-
die Charta ist
nicht direkt anwendbar; sie lässt den Vertragsparteien einen breiten
Ermessensspielraum;
-
es entstehen keine
finanziellen Mehraufwendungen;
-
die Charta kann
jederzeit gekündigt werden.
Diese
Ausführungen machen deutlich, dass neben der Solidarität mit Europa als
positivem Faktor auch gerade diejenigen Bereiche, die von der Charta nicht
tangiert werden, von wichtiger Bedeutung sind, damit der Ständerat den
Beschluss annimmt.
Der
Ständerat stimmt dem Bundesbeschluss zur Annahme der Europäischen Charta der
Regional- und Minderheitensprachen mit 25 gegen 2 Stimmen zu.
Der
Nationalrat berät in der Herbstsession 1997 am 25. September über den
Bundesbeschluss zur Annahme der Europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen (Amtliches Bulletin, 1997, Bundes-versammlung: Nationalrat – Herbstsession):
Nationalrat
Remigio Ratti (TI) stellt fest, dass die Charta für die Schweiz erst in zweiter
Linie anwendbar ist, da es keine eigentlichen Minderheitensprachen gibt,
sondern nur weniger verbreitete Amtssprachen, Rätoromanisch und Italienisch,
die einen besonderen Schutz bedürfen.
Nationalrätin
Silva Semadeni (GR) spricht die Entwicklung der letzten Jahre an, die
einerseits ein neues Selbstbewusstsein bei den Sprachminderheiten Europas
erkennen lässt, andererseits aber auch eine starke Tendenz zur
Standardisierung aufweist. Um die
sprachliche Vielfalt Europas zu bewahren, ist eine besondere Förderung der
Minderheitensprachen nötig. Indem sich die Schweiz mit diesen Minderheiten
solidarisch erklärt, leistet sie auch einen nicht unwesentlichen Beitrag zur
Stärkung von Frieden und Sicherheit in Europa.
Semadeni
stellt fest, dass die Schweiz einen Stand erreicht hat, der die Ziele und
Grundsätze der Charta bereits verwirklicht. Handlungsbedarf sieht sie besonders
im Bereich der Pflege der Mehrsprachigkeit, die immer noch vor allem Sache der
Angehörigen sprachlicher Minderheiten ist. Die sprachlichen Ressourcen der
Schweiz werden von der grossteils einsprachig gebliebenen Bevölkerung nicht
genutzt. Die Charta der Regional- und Minderheitensprachen ist nur ein weiteres
Mittel, um das Legislaturziel des Bundesrates, die Verständigung und den
Austausch unter den Sprachgemeinschaften, zu fördern.
Nationalrat
Hans Steffen (ZH), ein Gegner der Charta, ist der Meinung, dass die Schweiz
nicht den Musterknaben spielen und ein paar Jahre zuwarten soll, damit die
Auswirkungen der Anwendungen der Charta in der Praxis bekannt seien. Zudem
fürchtet er die aussenstehenden europäischen Experten, die der Schweiz als
Antwort auf ihren periodischen Rechenschaftsbericht Empfehlungen abgeben
könnten. Bundesrätin Ruth Dreifuss entgegnet, dass gerade weil die Schweiz seit
langer Zeit gute Erfahrungen mit der Mehrsprachigkeit gemacht hat, sie auf
europäischer Ebene nicht abseits stehen, sondern ihre Erkenntnisse anderen zugänglich
machen sollte.
Die
Mehrheit des Nationalrates folgte dieser Argumentation. Der Nationalrat stimmt
dem Bundesbeschluss zur Annahme der Europäischen Charta der Regional- und
Minderheitensprachen mit 123 gegen 22 Stimmen zu.
Die
Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen wird von der Schweiz
am 23. Dezember 1997 ratifiziert und tritt für sie am 1. April 1998 in Kraft.
Für sechs weitere Länder (Finnland, Kroatien, Liechtenstein, Niederlande,
Norwegen und Ungarn) ist die Charta bereits einen Monat früher, am 1.März 1998
in Kraft getreten.
Im
weiteren geht es darum, die einzelnen Massnahmen, welche die Schweiz zum Schutz
von Regional- oder Minderheitensprachen angenommen hat, zu untersuchen. Diese
Massnahmen wurden von den Kantonen Graubünden und Tessin erarbeitet und in den
ersten periodischen Bericht der Schweiz
an den Europarat integriert. Dieser Bericht ist im Februar 2000 veröffentlicht
worden (Bundesamt für Kultur, 2000, Charte Européenne
des Langues Régionales ou Minoritaires. Rapport périodique présenté par la Suisse).
4.1.
KANTON GRAUBÜNDEN
4. 1. 1.
RÄTOROMANISCH
Im
Kanton Graubünden sind Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch als Amtssprachen
in der Kantonsverfassung festgelegt.
Für
den Kanton Graubünden gelten Rätoromanisch und Italienisch als schützenswerte
Sprachen im Sinne der Charta. Für die beiden Sprachen wurden unterschiedliche
Schutzmassnahmen vorgesehen.
Für
die rätoromanische Sprache wurden folgende Artikel ausgewählt:
Artikel 8: Bildung
Absatz 1: a iv vorschulische
Bildung: Kindergärten, die von romanischen Gemeinden getragen werden, verwenden
Rätoromanisch; im sprachlichen Grenzgebiet werden teilweise getrennte (Deutsch
und Rätoromanisch) oder gemischtsprachige Kindergärten geführt.
Der
Kanton gewährleistet die Ausbildung romanisch-sprachiger KindergärtnerInnen.
b i Grundschule: Den einzelnen Gemeinden ist die Wahl der Sprache in
der Grundschule überlassen.
Der Kanton stellt die nötigen Lehrmittel in romanischer
Sprache zur Verfügung und gewährleistet die Ausbildung romanischer
Primarlehrkräfte.
Ab 2003 soll eine neu zu schaffende pädagogische
Fachhochschule die Lehrkräfte in romanischer Sprache ausbilden.
c iii Mittelschule: Rätoromanisch wurde 1998 aufgewertet und kann in
der Gymnasialausbildung als vollwertige Erstsprache gewählt werden; auch eine
zweisprachige Maturität ist ab dem Jahr 2000 möglich.
d iii Berufsschule: Die
Lehrpläne der Berufsschulen werden vom Bund festgelegt; der rätoromanischen
Sprache wird dabei kein grosses Gewicht beigemessen. Die Berücksichtigung des
Rätoromanischen bei den Berufsschulen ist unterschiedlich und oft von der
Eigeninitiative der Schule abhängig.
(e ii) Hochschule: Der Kanton
Graubünden unterhält keine eigene Hochschule. An der Universität Freiburg i.Ü.
besteht eine Professur für rätoromanische Sprache und Kultur.
f iii Erwachsenenbildung: die
Erwachsenenbildung ist privat organisiert und bietet auch Rätoromanischkurse
an; der Kanton beteiligt sich (aufgrund von Art. 6 des Fort-bildungsgesetzes)
an den Kosten.
g Geschichte
und Kultur: Kultur- und
Literaturgeschichte ist in den Sekundar- und Realschulen Bestandteil des
Romanischunterrichts. Mit der Ausweitung des Rätoromanischunterrichts auf
Gymnasialstufe sollen auch
geschichtliche und kulturelle Aspekte verstärkt thematisiert werden können.
h Ausbildung
der Lehrkräfte: siehe in den
Ausführungen zu den obigen Schulbereichen.
( i ) die Überprüfung der Durchführung und der Qualität des
Rätoromanischunterrichts geschieht im Rahmen der ordentlichen Schulaufsicht; an
der Kantonsschule ist auch eine externe Kontrolle vorgesehen.
Artikel 9 – Justizbehörden
Absatz 1: a ii Strafverfahren:
Bei der untersten Strafgerichtsinstanz, den Kreisgerichten, wird die
Gerichtssprache durch die Kreise festgelegt. Es entspricht der Gewohnheit, dass
eine romanischsprachige Partei in romanischsprachigem Gebiet vor Gericht auch
ihre eigene Sprache verwenden kann.
Die
rätoromanische Sprache kann auch in Strafverfahren vor dem Kantonsgericht
verwendet werden.
a iii Wenn Rätoromanisch als Gerichtssprache anerkannt ist, sind auch
Anträge und Beweismittel in dieser Sprache zulässig.
b ii Zivilrechtliche Verfahren: Bei den erstinstanzlichen Zivilgerichten,
den Bezirksgerichten, wird die Gerichtssprache durch die Bezirke festgelegt. Es
entspricht der Gewohnheit, dass eine romanisch-sprachige Partei in
romanischsprachigem Gebiet vor Gericht auch ihre eigene Sprache verwenden kann.
Die rätoromanische Sprache kann auch
in Zivilverfahren vor dem Kantonsgericht verwendet werden.
b iii Wenn Rätoromanisch als Gerichtssprache anerkannt ist, sind auch
Anträge und Beweismittel in dieser Sprache zulässig.
c ii Verwaltungsgerichtsverfahren: Die Gerichtssprachen der
Verwaltungsgerichte sind die Landessprachen, somit auch Rätoromanisch.
Absatz 2 a Die
Gültigkeit von Rechtsgeschäften ist nicht von der verwendeten Sprache abhängig. Für jedes
Rechtsgeschäft kann daher auch die rätoromanische Sprache verwendet werden.
Absatz 3 Die zwei rätoromanischen Versionen des Bündner
Rechtsbuches in surselvischem und ladinischem Dialekt umfassen heute praktisch
alle Erlasse, die auch im deutschsprachigen Rechtsbuch enthalten sind. Die
Kantonsregierung ist verpflichtet, für diese Über-setzungen zu sorgen.
Artikel 10 - Verwaltungsbehörden und öffentliche
Dienstleistungsbetriebe
Absatz 1 a i Gebrauch
der Sprache innerhalb der Behörden: die
Kantonsverwaltung ist verpflichtet, die rätoromanische Sprache im amtlichen
Sprachverkehr zu gebrauchen; dies ist zum grossen Teil durch Übersetzungen
gewährleistet.
b Verwaltungsbestimmungen-
und formulare: Die meisten Formulare sind weiterhin nur in deutscher Sprache
erhältlich. Die idiomatische Zersplitterung der rätoromanischen Sprache
erschwert die Anwendung. Die Einheitssprache Romantsch Grischun ist noch jung
und in der romanischen Bevölkerung nicht voll akzeptiert.
c Zulassung
rätoromanischer Schriftstücke bei der Verwaltung: die kantonalen Verwaltungsbehörden sind durch die
Kantonsverfassung verpflichtet, die kantonalen Amtssprachen zu verwenden, somit
auch Räto-romanisch.
Absatz 2 a - f Verwendung
der rätoromanischen Sprache in Bezug auf die örtlichen und regionalen Behörden:
Die Festlegung der Amtssprache auf örtlicher und regionaler Ebene fällt nicht
in den Zuständigkeitsbereich des Kantons, dies ist Sache der Gemeinden. In
Gemeinden mit einem hohen rätoromanischen Bevölkerungsanteil wird in der Regel
auch Rätoromanisch verwendet. In sprachlich gemischten Gemeinden wird in der
Regel Deutsch verwendet.
Der Kanton unterstützt die rätoromanische
Sprache durch die Finanzierung regionaler Sprachdienste.
g Der
Gebrauch rätoromanischer Ortsnamen: Viele Ortsnamen in romanischsprachigem
Gebiet wurden in deutscher Sprache geführt. Dies wurde inzwischen geändert, so
dass die meisten Orte im romanischen Sprachgebiet wieder ihren authentischen
Namen tragen.
Absatz 3 b Gebrauch
der rätoromanischen Sprache in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen:
Rätoromanisch ist eine kantonale Amtssprache und wird im Verkehr mit
rätoromanischsprachigen Bürgern auch verwendet.
Absatz 4 a Massnahmen
zur Umsetzung von Absatz 1 – 3: Der
Kanton unterhält einen professionellen Übersetzungsdienst, um den Gebrauch des
Rätoromanischen und Italienischen als Amtssprachen zu gewährleisten.
c Stellen
des öffentlichen Dienstes in rätoromanischem Sprachgebiet: Kenntnisse der
rätoromanischen Sprache werden in der Regel vorausgesetzt.
Absatz 5 Der Gebrauch rätoromanischer Familiennamen: Dies wird
durch das Bundesgesetz geregelt; der Gebrauch rätoromanischer Familiennamen
wird nicht beschränkt.
Artikel 11 – Medien
Absatz 1 (a iii) Förderung
von Radio und Fernsehen in rätoromanischer Sprache: die Gesetzgebung liegt im
Aufgabenbereich des Bundes. Der Kanton Graubünden verpflichtet die 2 regionalen
Radiosender (Radio Grischa und Radio Piz), einen Anteil des
Programmes in rätoromanischer Sprache zu senden.
b i Die Schweizerische Radio-
und Fernsehgesellschaft SRG ist verpflichtet, eigene Radioprogramme in allen
Nationalsprachen zu senden und unterhält deshalb einen rätoromanischsprachigen
Radiosender.
c ii Die SRG ist verpflichtet, die rätoromanische Schweiz in ihren
Fernsehprogrammen angemessen zu berücksichtigen; auf allen ersten
Fernsehkanälen der SRG in deutscher, französischer und italienischer Sprache
werden deshalb regelmässig rätoromanisch-sprachige Programme gesendet.
e i Zeitungen in rätoromanischer Sprache: eine rätoromanische Nachrichtenagentur wird durch Bund und Kanton
finanziert; damit wird ein Ausbau des romanischen Presseangebotes erwartet.
Seit anfangs 1997 erscheint die neue Tageszeitung La Quotidiana.
f i Finanzhilfe an
rätoromanische Medien: für wichtige
spracherhaltende Leistungen romanischer Zeitungen, die nicht
kostendeckend erbracht werden können, leistet der Kanton Finanzhilfe.
Absatz 3 Pluralismus der Medien: Um die regionalen Interessen besser
zu berücksichtigen, ist die SRG in vier Regional-gesellschaften unterteilt,
eine davon ist die romanische Radio- und Fernsehgesellschaft.
Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
Absatz 1 a – c Kulturförderung:
Im neuen Kulturförderungsgesetz von 1998 ist die Erhaltung und Pflege der
kantonalen Dreisprachigkeit ein zentrales Anliegen. Dabei leistet der Kanton
finanzielle Beiträge an die romanische Sprachorganisation Lia Rumantscha,
welche das kulturelle Schaffen in rätoromanischer Sprache fördert und der
breiten Bevölkerung zugänglich macht.
e – f Mitwirkung rätoromanischer Vertreter: der Kultur-förderungskommission gehören Fachleute aus
verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen an.
g Bewahrung
und Aufführung rätoromanischer Werke: Werke aus den Bereichen Theater, Musik
und Literatur werden vor allem von der Lia Rumantscha, aber auch von der
Bündner Kantonsbibliothek gesammelt; rätoromanische Fernsehproduktionen werden
von der romanischen Radio- und Fernsehgesellschaft aufbewahrt.
h Übersetzungsdienste:
Der kantonale Übersetzungsdienst entwickelt die romanischen Terminologien vor
allem im Bereich der Rechts- und Verwaltungssprache; der Sprachdienst der Lia
Rumantscha entwickelt Terminologien für die verschiedensten Lebensbereiche.
Absatz 2 Der Gebrauch des Rätoromanischen ausserhalb des
traditionellen Verbreitungsgebiets: viele der romanischen Kulturinstitutionen
wie die Lia Rumantscha oder die Bündner Kantonsbibliothek haben ihren
Sitz in der Kantonshauptstadt; den vielen Rätoromanen, die in Chur leben, ist
damit der Zugang zu Werken der rätoromanischen Kultur erleichtert.
Darüber hinaus sind das rätoromanische Radio und
Fernsehen in der ganzen Schweiz ein wichtiger Multiplikator rätoromanischer
Kultur.
Absatz 3 Kulturpolitik im Ausland: der Kanton ist durch das
Kulturförderungsgesetz verpflichtet, im interkantonalen und
grenzüberschreitenden Kulturaustausch die sprachliche Vielfalt des Kantons zu
berücksichtigen.
Artikel 13 – Wirtschaftliches und soziales Leben
Absatz 1 d Gebrauch
des Rätoromanischen im wirtschaftlichen und sozialen Leben: diese Aufgabe wird von der
Sprach-organisation Lia Rumantscha wahrgenommen, die dafür vom Kanton
entsprechende finanzielle Hilfen empfängt.
Daneben finanziert der Kanton regionale Sprachdienste,
welche Übersetzungen für touristische Unternehmen, Banken, Krankenkassen und
andere übernehmen.
Absatz 2 b Als
kantonale Institution ist die Bündner Kantonalbank verpflichtet,
Rätoromanisch zu berücksichtigen; ebenso verwendet auch die Rhätische Bahn
zum Teil die rätoromanische Sprache bei Zugsdurchsagen und bei Anschriften von
Stationen und Zügen.
Artikel 14 – Grenzüberschreitender Austausch
a – b Der Kanton Graubünden ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft
Alpenländer, wobei Themen von grenzüberschreitender Bedeutung behandelt werden.
Der Abschluss von
grenzüberschreitenden Verträgen ist ansonsten Angelegenheit des Bundes.
Fazit:
Zusammenfassend
kann gesagt werden, dass der Kanton Graubünden in allen obigen Bereichen
zahlreiche Massnahmen zur Förderung des Rätoromanischen bereits umgesetzt hat
oder zumindest die Weichen für einen nachhaltigen Schutz der rätoromanischen
Sprache gestellt hat.
Dies
ist angesichts der sprachlichen Fragmentierung des Kantons keine leichte
Aufgabe und setzt eine moderate Politik und ein Zusammenarbeiten aller
Betroffenen voraus.
Dass
in einigen Bereichen nicht die am weitesten reichenden Massnahmen der Charta
gewählt wurden, liegt meiner Meinung nach daran, dass die bereits ergriffenen
Massnahmen zur Förderung des Rätoromanischen sich in der bisherigen Praxis
bewährt haben und der Aufgabe angemessen sind.
Dort,
wo noch Handlungsbedarf besteht, zum Beispiel im Bereich der Berufs- und
Hochschulen, liegen die Kompetenzen nicht im Bereich des Kantons, sondern beim Bund.
Auch
erschweren die idiomatische Vielfalt des Rätoromanischen und die noch nicht
voll akzeptierte, junge Einheitssprache Rumantsch Grischun die Erstellung von
Verwaltungsbestimmungen und –formularen in rätoromanischer Sprache.
4. 1. 2. ITALIENISCH
Für
die italienische Sprache wurden folgende Artikel ausgewählt:
Artikel 8: Bildung
Absatz 1: a iv vorschulische
Bildung: Kindergärten, die von italienischsprachigen Gemeinden getragen werden,
verwenden Italienisch.
Der Kanton gewährleistet die Ausbildung
italienisch-sprachiger KindergärtnerInnen.
b i Grundschule: Den einzelnen Gemeinden ist die Wahl der Sprache in
der Grundschule überlassen.
Der Kanton stellt die nötigen Lehrmittel in italienischer
Sprache zur Verfügung und gewährleistet die Ausbildung italienischsprachiger
Primarlehrkräfte.
Ab 2003 soll eine neu zu schaffende
pädagogische Fachhochschule die Lehrkräfte in italienischer Sprache ausbilden.
Italienisch wird grundsätzlich als
erste Fremdsprache an den deutschsprachigen Grundschulen eingeführt.
c ii Mittelschule: Ab dem Jahr 2000 ist auch eine zweisprachige
Maturität Italienisch/Deutsch möglich. Für Schüler aus dem Misox, die im Kanton
Tessin die Mittelschule besuchen, entrichtet der Kanton Graubünden besondere
Beiträge.
d iii Berufsschule: In Poschiavo
besteht eine Berufsschule, die in italienischer Sprache geführt wird. Viele
italienischsprachige Lehrlinge Graubündens besuchen eine Berufsschule im Kanton
Tessin; die Kosten werden dabei vom Kanton Graubünden getragen.
f iii Erwachsenenbildung: die
Erwachsenenbildung ist privat organisiert und bietet auch Italienischkurse an;
der Kanton beteiligt sich (aufgrund von Art. 6 des Fort-bildungsgesetzes) an
den Kosten.
g Geschichte
und Kultur: Kultur- und
Literaturgeschichte ist in den italienischsprachigen Sekundar- und Realschulen
Bestandteil des Italienischunterrichts.
Auf Gymnasialstufe werden italienische Kultur
und Geschichte während des Italienischunterrichts verstärkt thematisiert.
h Ausbildung
der Lehrkräfte: siehe in den
Ausführungen zu den obigen Schulbereichen.
( i ) die Überprüfung der Durchführung und der Qualität des
Italienischunterrichts geschieht im Rahmen der ordentlichen Schulaufsicht; an
der Kantonsschule ist auch eine externe Kontrolle vorgesehen.
Artikel 9 – Justizbehörden
Absatz 1: a ii Strafverfahren:
Bei der untersten Strafgerichtsinstanz, den Kreisgerichten, wird die
Gerichtssprache durch die Kreise festgelegt. Es entspricht der Gewohnheit, dass
eine italienischsprachige Partei in italienischsprachigem Gebiet vor Gericht
auch ihre eigene Sprache verwenden kann.
Die
italienische Sprache kann auch in Strafverfahren vor dem Kantonsgericht
verwendet werden.
a iii Wenn Italienisch als Gerichtssprache anerkannt ist, sind auch
Anträge und Beweismittel in dieser Sprache zulässig.
b ii Zivilrechtliche
Verfahren: Bei den erstinstanzlichen
Zivilgerichten, den Bezirksgerichten, wird die Gerichtssprache durch die
Bezirke festgelegt. Es entspricht der Gewohnheit, dass eine
italienisch-sprachige Partei in italienischsprachigem Gebiet vor Gericht auch
ihre eigene Sprache verwenden kann.
Die italienische Sprache kann auch
in Zivilverfahren vor dem Kantonsgericht verwendet werden.
b iii Wenn Italienisch als Gerichtssprache anerkannt ist, sind auch
Anträge und Beweismittel in dieser Sprache zulässig.
c ii Verwaltungsgerichtsverfahren: Die Gerichtssprachen der
Verwaltungsgerichte sind die Landessprachen, somit auch Italienisch.
Absatz 2 a Die
Gültigkeit von Rechtsgeschäften ist nicht von der verwendeten Sprache abhängig. Für jedes
Rechtsgeschäft kann daher auch die italienische Sprache verwendet werden.
Absatz 3 Die italienischsprachige Fassung des Bündner
Rechtsbuches umfasst heute praktisch alle Erlasse, die auch im
deutschsprachigen Rechtsbuch enthalten sind. Die Kantonsregierung ist
verpflichtet, für diese Über-setzungen zu sorgen.
Artikel 10 - Verwaltungsbehörden und öffentliche
Dienstleistungsbetriebe
Absatz 1 a i Gebrauch
der Sprache innerhalb der Behörden: die
Kantonsverwaltung ist verpflichtet, die italienische Sprache im amtlichen
Sprachverkehr zu gebrauchen; dies ist zum grossen Teil durch Übersetzungen
gewährleistet.
b Verwaltungsbestimmungen-
und formulare: Die meisten amtlichen Texte und Formulare sind in die
italienische Sprache übersetzt worden.
c Zulassung
italienischer Schriftstücke bei der Verwaltung: die kantonalen Verwaltungsbehörden sind durch die
Kantonsverfassung verpflichtet, die kantonalen Amtssprachen zu verwenden, somit
auch Italienisch.
Absatz 2 a - f Verwendung
der italienischen Sprache in Bezug auf die örtlichen und regionalen Behörden:
Die Festlegung der Amtssprache auf örtlicher und regionaler Ebene fällt nicht
in den Zuständigkeitsbereich des Kantons, dies ist Sache der Gemeinden. In
italienischsprachigen Gemeinden wird in der Regel auch Italienisch verwendet.
g Der
Gebrauch italienischer Ortsnamen: Im italienischsprachigen Gebiet des Kantons
Graubünden ist der Gebrauch der herkömmlichen italienisch-sprachigen Ortsnamen
selbstverständlich.
Absatz 3 b Gebrauch
der italienischen Sprache in Bezug auf öffentliche Dienstleistungen:
Italienisch ist eine kantonale Amtssprache und wird im Verkehr mit
italienischsprachigen Bürgern auch verwendet.
Absatz 4 a Massnahmen
zur Umsetzung von Absatz 1 – 3: Der
Kanton unterhält einen professionellen Übersetzungsdienst, um den Gebrauch des
Rätoromanischen und Italienischen als Amtssprachen zu gewährleisten.
c Stellen
des öffentlichen Dienstes im italienisch-sprachigen Kantonsgebiet: Kenntnisse
der italienischen Sprache werden in der Regel vorausgesetzt.
Absatz 5 Der Gebrauch italienischer Familiennamen: Dies wird durch
das Bundesgesetz geregelt; der Gebrauch italienischer Familiennamen wird nicht
beschränkt.
Artikel 11 – Medien
Absatz 1 a
i Das Radio- und Fernsehgesetz
wird auf Bundesebene geregelt. Die Schweizerische Radio- und
Fernseh-gesellschaft SRG unterhält drei Radioprogramme und zwei
Fernsehprogramme für die italienischsprachige Schweiz.
e i Der italienischsprachige Teil des Kantons Graubünden hat drei
Regionalzeitungen und weist zusammen mit den Tageszeitungen des Kantons Tessin
ein zufrieden-stellendes Angebot an Printmedien auf.
Absatz 3 Pluralismus der Medien: Um die regionalen Interessen
besser zu berücksichtigen, ist die SRG in vier Regional-gesellschaften
unterteilt, eine davon ist die italienischsprachige Radio- und
Fernsehgesellschaft.
Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
Absatz 1 a – c Kulturförderung:
Im neuen Kulturförderungsgesetz von 1998 ist die Erhaltung und Pflege der
kantonalen Dreisprachigkeit ein zentrales Anliegen. Dabei leistet der Kanton
finanzielle Beiträge an die italienische Sprachorganisation Pro Grigioni
Italiano, welche das kulturelle Schaffen in italienischer Sprache fördert
und der breiten Bevölkerung zugänglich macht.
e – f Mitwirkung italienischsprachiger Vertreter: der Kultur-förderungskommission gehören
Fachleute aus verschiedenen Sprach- und Kulturkreisen an.
g Bewahrung
italienischsprachiger Werke: italienisch-sprachige Medien, die einen Bezug zum
Kanton Graubünden haben, werden von der Bündner Kantonsbibliothek gesammelt.
( h ) Übersetzungsdienste: Anders als das Rätoromanische besitzt das
Italienische ein sprachliches Hinterland. Die Entwicklung von Terminologien hat
deshalb nicht denselben Stellenwert wie beim Rätoromanischen.
Absatz 2 Der Gebrauch des Italienischen ausserhalb des traditionellen
Verbreitungsgebiets: Es gibt zahlreiche italienischsprachige Vereinigungen
ausserhalb des italienischen Sprachgebietes, die kulturelle Anlässe
veranstalten. Diese werden von der Sprachorganisation Pro Grigioni Italiano finanziell unterstützt.
Darüber hinaus sind das italienischsprachige
Radio und Fernsehen, welches in der ganzen Schweiz empfangen werden kann, ein
wichtiger Multiplikator italienisch-sprachiger Kultur.
Absatz 3 Kulturpolitik im Ausland: der Kanton ist durch das
Kulturförderungsgesetz verpflichtet, im interkantonalen und
grenzüberschreitenden Kulturaustausch die sprachliche Vielfalt des Kantons zu
berücksichtigen.
Artikel 13 – Wirtschaftliches und soziales Leben
Absatz 1 d Gebrauch
des Italienischen im wirtschaftlichen und sozialen Leben: diese Aufgabe wird, soweit nötig, von der
Sprachorganisation Pro Grigioni Italiano wahrgenommen.
Absatz 2 b Als
kantonale Institution ist die Bündner Kantonalbank verpflichtet,
Italienisch zu berücksichtigen; ebenso verwendet auch die Rhätische Bahn
zum Teil die italienische Sprache bei Zugsdurchsagen und bei Anschriften von
Stationen und Zügen.
Artikel 14 – Grenzüberschreitender Austausch
a – b Der Kanton Graubünden ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft
Alpenländer, wobei Themen von grenzüberschreitender Bedeutung behandelt werden.
Der Abschluss von
grenzüberschreitenden Verträgen ist ansonsten Angelegenheit des Bundes.
Fazit:
Der
Kanton Graubünden hat meines Erachtens dort, wo es nötig ist, geeignete
Massnahmen zum Schutz der italienischen Sprache ergriffen. Die
italienischsprachigen Gebiete Graubündens liegen geographisch nahe zum Kanton
Tessin oder zum Nachbarland Italien und können deshalb auf ein starkes
sprachliches und kulturelles Hinterland zurückgreifen. Die Erhaltung der italienischen
Sprache ist deshalb nicht so problematisch wie beim Rätoromanischen.
Dass
in einigen Bereichen nicht die am weitesten reichenden Massnahmen der Charta
gewählt wurden, liegt meiner Meinung nach daran, dass die bereits ergriffenen
Massnahmen zur Förderung des Italienischen als ausreichend erachtet werden.
4. 2.
KANTON TESSIN
4. 2. 1.
ITALIENISCH
In
der kantonalen Verfassung von 1997 ist festgehalten, dass das Tessin nicht nur ein
italienischsprachiger Kanton ist, sondern auch stark mit der italienischen
Kultur verbunden ist. Das Italienische ist die Sprache der grossen Mehrheit der
Bevölkerung im Tessin und hat deshalb eine starke Stellung inne.
Artikel 8 – Bildung
Absatz 1 a
i, b i, c i, d i, e i,
f i, g, h
Der
Kanton Tessin bietet in den Bereichen vorschulische Bildung, Grundschule,
Mittelschule, Berufsschule und Erwachsenenbildung vollumfängliche
Ausbildungsmöglichkeiten in italienischer Sprache an. Die Lehrerfortbildung ist
gewährleistet.
Im
Universitätsgesetz von 1995 wird Italienisch als Unterrichtssprache an der
Universität der Italienischen Schweiz festgelegt.
Italienisch
ist die Muttersprache von 80,8 % der Tessiner Schüler; für diejenigen
Jugendlichen, deren Muttersprache nicht Italienisch ist und deren
Italienischkenntnisse noch ungenügend sind, werden Italienischkurse auf allen
Stufen angeboten.
In
den Tessiner Schulen wird Französisch als erste Fremdsprache im 3. Schuljahr
eingeführt; Deutsch wird als 2. Fremdsprache im 7. Schuljahr eingeführt.
Absatz 2
Italienisch
ausserhalb des traditionellen Verbreitungsgebietes: Es wird betont, dass die
Situation des Italienischen in den Schulen der anderen Kantone (mit Ausnahme
von Uri und Graubünden) prekär ist.
Das
Tessiner Erziehungsdepartement führt mit dem Aargauer Erziehungsdepartement
seit 1970 im Sommer Italienischkurse in der Deutschschweiz durch und half dem
Kanton Uri mit technischer und finanzieller Unterstützung bei der Einführung
von Italienisch während der obligatorischen Schulzeit.
Artikel 9 – Justizbehörden
Die
Tessiner Gesetzgebung ist mit den Forderungen der Charta konform: bei
Strafverfahren, zivilrechtlichen Verfahren und Verwaltungs-gerichtsverfahren wird
die italienische Sprache verwendet und sind Anträge und Beweismittel in dieser
Sprache zulässig. Die Rechtsgültigkeit italienischsprachiger Dokumente ist
gegeben. Die Gesetzestexte sind in italienischer Sprache vorhanden.
Artikel 10 - Verwaltungsbehörden und öffentliche
Dienstleistungsbetriebe
Absatz 1 a
i, b,
c
Der
Gebrauch des Italienischen innerhalb der Verwaltungsbehörden ist
sichergestellt. Verwaltungsbestimmungen und –formulare sind in Italienisch
erhältlich.
Absatz 2 a
– g
Der
Gebrauch des Italienischen innerhalb der regionalen und örtlichen Behörden ist
sichergestellt und wird im Verkehr mit den Bürgern auch angewendet.
Absatz 3
a, 4 b
Der
Gebrauch des Italienischen bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen ist
sichergestellt.
Absatz 4 b
Um
Absätze 1 – 3 in Kraft zu setzen, werden falls nötig Beamte eingestellt und
ausgebildet.
Absatz 5
Der
Gebrauch italienischer Familiennamen: Dies wird durch das Bundesgesetz
geregelt; der Gebrauch italienischer Familiennamen wird nicht beschränkt.
Artikel 11 – Medien
Absatz
1 a
i
Die
Existenz und das Funktionieren der italienischsprachigen Radio- und
Fernsehgesellschaft ist den Forderungen der Charta angemessen;
Das
Tessin weist mit 3 Tageszeitungen und mehreren Wochenzeitungen eine im
europäischen Vergleich sehr hohe Dichte an Presseerzeugnissen auf.
Artikel 12 – Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
Im
Tessin gibt es ein reichhaltiges Angebot an kulturellen Aktivitäten und
Vereinen, die von Kanton und Bund finanziell unterstützt werden.
Artikel 13 – Wirtschaftliches und soziales Leben
Absatz
1 d, 2
b
Der
Gebrauch des Italienischen im wirtschaftlichen Leben ist durch das Gesetz für
Geschäfte und öffentliche Beschriftungen vorgeschrieben.
Artikel 14 – Grenzüberschreitender Austausch
In
den Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, der Ausbildung und der
Kultur gibt es eine starke Zusammenarbeit des Kantons Tessin mit den
benachbarten Regionen Italiens auf lokaler und provinzieller Ebene. Daneben
steht jährlich ein Kredit in der Höhe von 3 Mio Franken für Aktivitäten
grenzüberschreitender Kooperation zur Verfügung.
Fazit:
Das
Italienische ist innerhalb der Schweiz eine Minderheitensprache, im Kanton
Tessin jedoch ungefährdet die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung. Dabei kann
auf ein grosses sprachliches Hinterland Bezug genommen werden; zudem bestehen
auch enge kulturelle Verbindungen zu Italien. Man kann deshalb davon ausgehen,
dass die italienische Sprache im Tessin kaum gefährdet ist und sich im
Vergleich zum Rätoromanischen in einer komfortablen Position befindet.
Viele
der in der Charta zur Auswahl stehenden Artikel werden im Tessin vollumfänglich
erfüllt und es bedarf keiner weiteren Massnahmen. Dies erklärt wohl auch,
weshalb der Kanton Tessin in seinem Rechenschaftsbericht an den Bund nur
gelegentlich die einzelnen Absätze der Charta detailliert kommentierte. Es
lassen sich denn auch keine Neuerungen oder durch die Charta angeregte Entwicklungen
zum Schutz der italienischen Sprache feststellen.
Wie
zurecht festgehalten wird, ist die Stellung der italienischen Sprache im
Bildungsbereich in der übrigen Schweiz nicht besonders stark; da besteht
Handlungsbedarf; dies ist jedoch nur zum Teil eine Angelegenheit des Kantons Tessin, vielmehr sind die
anderen Kantone gefordert, dem Italienischen in der Ausbildung mehr Bedeutung
beizumessen.
5. SCHLUSSBEMERKUNGEN
Der
Schutz der Minderheiten ist in Europa noch lange keine Selbstverständlichkeit.
Toleranz und Achtung dem Anderen gegenüber bedingt einen gesellschaftlichen
Lernprozess, der oft langwierig ist (Schnabl 1999:2). Der Europarat versucht
deshalb mit zahlreichen Konventionen den Schutz von Minderheiten voranzutreiben
und die Gesetzesbestimmungen europaweit zu harmonisieren. In diesem Sinne soll
die Charta der Regional- und Minderheitensprachen dazu beitragen, die
sprachliche Vielfalt Europas zu erhalten; gleichzeitig sollen die sprachlichen
Mehrheiten sensibilisiert werden im Umgang mit den Minderheiten. Um dies zu
erreichen, sind nicht nur Massnahmen auf staatlicher Ebene notwendig, sondern
auch auf regionaler und kommunaler Ebene (Prinzip der Subsidiarität); die Charta
legt darauf besonderen Wert, indem sie verschiedene Massnahmen zur Auswahl
stellt, was den Umgang der lokalen und regionalen Behörden mit den Bürgern
betrifft.
Die
Charta musste von sechs Staaten ratifiert werden, um in Kraft treten zu können.
Dieser langwierige Aushandlungsprozess hat mehr als fünf Jahre gedauert; aus
sprachpolitischer Sicht lag die Herausforderung dabei, die Minderheitensprachen
und ihr Verbreitungsgebiet zu definieren, um dann geeignete Schutzmassnahmen
aus Teil 3 der Charta auswählen zu können. Im politischen Bereich erweist sich
nicht die Auswahl der Sprache selbst als besondere Schwierigkeit, sondern die
Minderheit als solche. Die Charta betont deshalb ihre Anwendbarkeit
ausschliesslich auf die Sprache, nicht auf ihre Sprecher.
Der
Minderheitenschutz lässt auch in Europa viel zu wünschen übrig; politische Bedenken verzögern dabei den
Ratifizierungsprozess der Charta. Vergleichsweise gering war der politische
Widerstand in der Schweiz; es wurden
vor allem Bedenken über eine mögliche Einfluss-nahme des Expertengremiums,
welches die Rechenschaftsberichte der Länder beurteilt, geäussert.
Für
andere Länder, wie zum Beispiel Frankreich, ist bei der Definition ihrer
nationalen Einheit die Nationalsprache von besonderer Bedeutung; im
Minderheitenschutz wird eine Bedrohung der nationalen Souveränität gesehen.
Massnahmen im diesem Bereich haben geringe Aussichten darauf, verwirklicht zu
werden. So wird in Frankreich keine der
sprachlichen Minderheiten gesetzlich anerkannt. Französisch ist als
alleinige Amtssprache in der Verfassung vorgeschrieben; deshalb wurde die
bereits unterzeichnete Charta der Regional- und Minderheiten-sprachen vom
französischen Staatsrat als verfassungswidrig bezeichnet und abgelehnt.
Die
Charta ist am 1. März 1998 für Finnland, Kroatien, Liechtenstein, die
Niederlande, Norwegen und Ungarn in Kraft getreten. Die Schweiz gesellte sich
am 1. April 1998 dazu.
Für
die Schutzmassnahmen in Teil 3 der Charta wurden folgende Sprachen ausgewählt:
In
Finnland gilt die Charta für Schwedisch (als weniger verbreitete Amtssprache)
und für Sami als regionale Minderheitensprache. Die Schwedisch-sprechenden Finnen sind eine rein sprachliche
Minderheit, sie stellen etwa 6% der Bevölkerung, (ca. 300000 Personen).
Demgegenüber sind die Sami auch eine ethnische Minderheit; sie stellen 0.1% der
Bevölkerung, ca. 7000 Personen; etwa die Hälfte von ihnen spricht die
Sami-Sprache (Council of Europe,
1999, Implementation of the European Charter for Regional or Minority
Languages, S.40f) . Die
für Schwedisch ausgewählten Massnahmen sind weitreichender als diejenigen für
Sami (Council of Europe, 2000, List of declarations made with respect to treaty no. 148).
In
Kroatien gelten Italienisch, Serbisch, Ungarisch Tschechisch, Slovakisch, Ruthenisch
und Ukrainisch in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten als schützenswerte
Sprachen im Sinne der Charta (Council of Europe, 2000, List of declarations made with respect to treaty no. 148).
Liechtenstein
erklärt, dass es auf seinem Territorium keine Minderheitensprachen gibt (Council of
Europe, 2000, List of declarations made with respect to
treaty no. 148).
In
den Niederlanden gilt Friesisch in der Provinz Friesland als schützenswerte
Sprache im Sinne der Charta. Die ca. 400000 Friesen sind durchwegs
zweisprachig; Friesisch wird bereits als Unterrichtssprache in den Grundschulen
verwendet. Die bisherige niederländische Politik zugunsten der friesischen
Minderheit erleichterte die Annahme der Charta (Council
of Europe, 1999, Implementation of the European Charter for Regional or
Minority Languages, S.33ff).
In
Norwegen gilt die Sprache der Sami als schützenswerte Minderheitensprache (Council of
Europe, 2000, List of declarations made with respect to
treaty no. 148).
In
Ungarn gelten Kroatisch, Deutsch, Rumänisch, Serbisch, Slowakisch und
Slowenisch als Minderheitensprachen (Council of Europe, 2000, List of declarations made with respect to treaty no. 148).
Die
Charta ist am 1. Januar 1999 auch für Deutschland in Kraft getreten. Als
schützenswerte Regionalsprachen im Sinne der Charta gelten Friesisch (ca. 10000
Sprecher), Dänisch und Sorbisch (jeweils etwa 50000 Sprecher) in ihren
jeweiligen traditionellen Verbreitungsgebieten. Auch die nicht-territoriale
Sprache der Sinti und Roma (ca. 70000 Sprecher) wird in unterschiedlichem
Ausmass in einigen Bundesländern durch Massnahmen in Teil 3 der Charta
geschützt (Council of Europe, 2000, List of
declarations made with respect to treaty no. 148).
Am
1. Juni 2000 ist die Charta auch für Schweden wirksam geworden. Geschützte
Sprachen sind Sami, Finnisch und Meänkieli (Tornedal-Finnisch).
Auf
den 1. Januar 2001 ist die Charta zudem in Slowenien (für Italienisch und
Ungarisch) und in Dänemark (für Deutsch) in Kraft getreten(Council of
Europe, 2000, List of declarations made with respect to
treaty no. 148).
Die
von oben genannten Staaten ausgewählten Massnahmen zum Schutz der Regional- und
Minderheitensprachen variieren von einfachen Massnahmen der
Nicht-Diskriminierung bis hin zur Annahme der wirkungsvollsten Schutzmechanismen.
Ich bin deshalb der Meinung, dass das ‚à la carte’-System des
Massnahmenkatalogs der Charta den Vertragsstaaten einen zu grossen Spielraum
bei der Umsetzung lässt.
Die
gewählten Massnahmen spiegeln in den meisten Fällen den Ist-Zustand der jeweiligen
nationalen Minderheiten- und Sprachpolitik wieder, auch in der Schweiz. Sie
sind eine Bestätigung der bereits gewährten Rechte (Gesellschaft für bedrohte Völker, 2000, Gefährdete
Vielfalt – Kleine Sprachen ohne Zukunft).
In
den bisherigen Rechenschaftsberichten der Länder lassen sich kaum im Hinblick
auf die Charta getroffene Entscheide oder zukünftige Massnahmen erkennen. Es bleibt abzuwarten, ob in diesen Ländern
im Sinne der Charta der Schutz der Regional- und Minderheitensprachen in
Zukunft verbessert werden wird.
Das
Kontrollsystem des Europarates, die alle 3 Jahre erfolgenden Berichte der
Vertragsstaaten, erachte ich als zu schwach, um eine wirkungsvolle Änderung des
Ist-Zustandes herbeizuführen. Als Ergänzung sollten in diesen Berichten einige
verbindliche Ziele und konkrete Aktivitäten genannt werden, deren Umsetzung
nach 3 Jahren einen tatsächlichen Fortschritt erkennen lassen würden.
Die
Umsetzung der Charta ist ein Bereich, in dem auch der Europarat zuerst seine Erfahrungen
sammeln muss; es bleibt zu hoffen, dass die dann gewonnenen Erkenntnisse dazu
führen werden, dass die Europäische Charta der Regional- und
Minderheitensprachen zu einem wirksameren Instrument geformt werden kann.
6. BIBLIOGRAPHIE
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Bundesrechts, 1996,
Botschaft über die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen,
S.1165-1195
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Bundesversammlung: Nationalrat – Herbstsession 1997: Regional-
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<http://www.parlament.ch/Internet98/Poly/Suchen_amtl_Bulletin/cn97/automne/UD26.HTM>
Amtliches
Bulletin, 1997,
Bundesversammlung: Ständerat – Sommersession 1997: Regional-
oder Minderheitensprachen. Europäische Charta.
<http://www.parlament.ch/Poly/Suchen_amtl_Bulletin/ce97/ete/UD19.HTM>
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Council of
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European Charter for Regional or Minority Languages, Strasbourg, Council of
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Framebork
Convention for the Protection of National Minorities
<http://www.troc.es/ciemen/mercator/CE4-GB.HTM>
Gesellschaft
für bedrohte Völker, 2000,
Für eine pluralistische Union. Minderheitenrechte gehören in die
EU-Grundrechtecharta
<http://ines.gn.apc.org/apm-gfbv/3dossier/costeuro-dt.html>
Gesellschaft
für bedrohte Völker, 2000,
Gefährdete Vielfalt – Kleine Sprachen ohne Zukunft
<http://ines.gn.apc.org/apm-gfbv/3dossier/vielfalt-dt.html>
Kein
Beitritt Frankreichs zur Sprachencharta, 1999, NZZ 24.6.1999
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Lia Rumantscha
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The Congress
of Local and Regional Authorities of Europe
<http://www.coe.fr/cplre/eng/epresentation.htm>
7. ANHANG
Die
Mitgliedstaaten des Europarats, die diese Charta unterzeichnen,
in der Erwägung, daß es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung
zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um insbesondere die Ideale und
Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern;
in der Erwägung, daß der Schutz der geschichtlich gewachsenen Regional- oder
Minderheitensprachen Europas, von denen einige allmählich zu verschwinden
drohen, zur Erhaltung und Entwicklung der Traditionen und des kulturellen
Reichtums Europas beiträgt;
in der Erwägung, daß das Recht, im privaten Bereich und im öffentlichen Leben
eine Regional- oder Minderheitensprache zu gebrauchen, ein unveräußerliches
Recht in Übereinstimmung mit den im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen
über bürgerliche und politische Rechte enthaltenen Grundsätzen darstellt und
dem Geist der Konvention des Europarats zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten entspricht;
eingedenk der im Rahmen der KSZE geleisteten Arbeit und insbesondere der
Schlußakte von Helsinki von 1975 und des Dokuments des Kopenhagener Treffens
von 1990;
unter Betonung des Wertes der interkulturellen Beziehungen und der
Mehrsprachigkeit sowie in der Erwägung, daß der Schutz und die Förderung der
Regional- oder Minderheitensprachen sich nicht nachteilig auf die Amtssprachen
und die Notwendigkeit, sie zu erlernen, auswirken sollte;
in dem Bewußtsein, daß der Schutz und die Stärkung der Regional- oder
Minderheitensprachen in den verschiedenen Ländern und Regionen Europas einen
wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas darstellen, das auf den Grundsätzen
der Demokratie und der kulturellen Vielfalt im Rahmen der nationalen
Souveränität und der territorialen Unversehrtheit beruht;
unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse und der geschichtlich
gewachsenen Traditionen in den verschiedenen Regionen der Staaten Europas,
sind wie folgt übereingekommen:
Im Sinne
dieser Charta:
a.
bezeichnet der
Ausdruck "Regional- oder Minderheitensprachen" Sprachen,
i.
die herkömmlicherweise
in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates
gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als die der
übrigen Bevölkerung des Staates, und
ii.
die sich von der
(den) Amtssprache(n) dieses Staates unterscheiden;
iii.
er umfaßt weder
Dialekte der Amtssprache(n) des Staates noch die Sprachen von Zuwanderern;
b.
bezeichnet der
Ausdruck "Gebiet, in dem die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht
wird", das geographische Gebiet, in dem die betreffende Sprache das
Ausdrucksmittel einer Zahl von Menschen ist, welche die Übernahme der in dieser
Charta vorgesehenen verschiedenen Schutz- und Förderungsmaßnahmen rechtfertigt;
c.
bezeichnet der
Ausdruck "nicht territorial gebundene Sprachen" von Angehörigen des Staates
gebrauchte Sprachen, die sich von der (den) von der übrigen Bevölkerung des
Staates gebrauchten Sprache(n) unterscheiden, jedoch keinem bestimmten Gebiet
innerhalb des betreffenden Staates zugeordnet werden können, obwohl sie
herkömmlicherweise im Hoheitsgebiet dieses Staates gebraucht werden.
1.
Jede
Vertragspartei verpflichtet sich, Teil II auf alle in ihrem Hoheitsgebiet
gebrauchten Regional- oder Minderheitensprachen anzuwenden, die der
Begriffsbestimmung in Artikel 1 entsprechen.
2.
In bezug auf jede
nach Artikel 3 im Zeitpunkt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung
bezeichnete Sprache verpflichtet sich jede Vertragspartei, mindestens
fünfunddreißig aus Teil III ausgewählte Absätze oder Buchstaben anzuwenden,
darunter mindestens je drei aus den Artikeln 8 und 12 und je einen aus den
Artikeln 9, 10, 11 und 13.
1.
Jeder
Vertragsstaat bezeichnet in seiner Ratifikations-, Annahme- oder
Genehmigungsurkunde jede Regional- oder Minderheitensprache oder in seinem
gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil desselben weniger verbreitete
Amtssprache, auf welche die nach Artikel 2 Absatz 2 ausgewählten Bestimmungen
angewendet werden.
2.
Jede
Vertragspartei kann jederzeit danach dem Generalsekretär notifizieren, daß sie
die Verpflichtungen übernimmt, die sich aus anderen Bestimmungen der Charta
ergeben, die sie nicht bereits in ihrer Ratifikations-, Annahme- oder
Genehmigungsurkunde bezeichnet hat, oder daß sie Absatz 1 auf andere Regional-
oder Minderheitensprachen oder in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil
desselben weniger verbreitete andere Amtssprachen anwenden wird.
3.
Die nach Absatz 2
eingegangenen Verpflichtungen gelten als untrennbarer Teil der Ratifikation,
Annahme oder Genehmigung und haben vom Tag ihrer Notifikation an dieselbe
Wirkung.
1.
Die Bestimmungen
dieser Charta sind nicht als Beschränkung oder Beeinträchtigung von Rechten
auszulegen, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet
sind.
2.
Diese Charta läßt
in einer Vertragspartei bereits bestehende oder in einschlägigen zwei- oder
mehrseitigen Übereinkünften vorgesehene günstigere Bestimmungen über den Status
der Regional- oder Minderheitensprachen oder die Rechtsstellung der Personen,
die Minderheiten angehören, unberührt.
Die
Bestimmungen dieser Charta sind nicht so auszulegen, als gewährten sie das
Recht, irgendeine Tätigkeit auszuüben oder irgendeine Handlung vorzunehmen, die
gegen die Ziele der Charta der Vereinten Nationen oder sonstige
völkerrechtliche Verpflichtungen einschließlich des Grundsatzes der
Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Staaten verstößt.
Die Vertragsparteien
verpflichten sich, dafür zu sorgen, daß die betroffenen Behörden,
Organisationen und Personen über die in dieser Charta festgelegten Rechte und
Pflichten informiert werden.
1.
Hinsichtlich der
Regional- oder Minderheitensprachen legen die Vertragsparteien in den Gebieten,
in denen solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation
jeder Sprache ihrer Politik, Gesetzgebung und Praxis folgende Ziele und
Grundsätze zugrunde:
a.
die Anerkennung
der Regional- oder Minderheitensprachen als Ausdruck des kulturellen Reichtums;
b.
die Achtung des
geographischen Gebiets jeder Regional- oder Minderheitensprache, um
sicherzustellen, daß bestehende oder neue Verwaltungsgliederungen die Förderung
der betreffenden Regional- oder Minderheitensprache nicht behindern;
c.
die Notwendigkeit
entschlossenen Vorgehens zur Förderung von Regional- oder Minderheitensprachen,
um diese zu schützen;
d.
die Erleichterung
des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen in Wort und Schrift im
öffentlichen Leben und im privaten Bereich und/oder die Ermutigung zu einem
solchen Gebrauch;
e.
die Erhaltung und
Entwicklung von Verbindungen in den von dieser Charta erfaßten Bereichen
zwischen Gruppen, die eine Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen, und
anderen Gruppen in diesem Staat mit einer in derselben oder ähnlicher Form
gebrauchten Sprache sowie das Herstellen kultureller Beziehungen zu anderen
Gruppen in dem Staat, die andere Sprachen gebrauchen;
f.
die Bereitstellung
geeigneter Formen und Mittel für das Lehren und Lernen von Regional- oder
Minderheitensprachen auf allen geeigneten Stufen;
g.
die Bereitstellung
von Einrichtungen, die es Personen, die eine Regional- oder Minderheitensprache
nicht sprechen, aber in dem Gebiet leben, in dem sie gebraucht wird,
ermöglichen, sie zu erlernen, wenn sie dies wünschen;
h.
die Förderung des
Studiums und der Forschung im Bereich der Regional- oder Minderheitensprachen
an Universitäten oder in gleichwertigen Einrichtungen;
i.
die Förderung
geeigneter Formen des grenzüberschreitenden Austausches in den von dieser
Charta erfaßten Bereichen für Regional- oder Minderheitensprachen, die in zwei
oder mehr Staaten in derselben oder ähnlicher Form gebraucht werden.
2.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, sofern dies noch nicht geschehen ist, jede
ungerechtfertigte Unterscheidung, Ausschließung, Einschränkung oder Bevorzugung
zu beseitigen, die den Gebrauch einer Regional- oder Minderheitensprache
betrifft und darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung oder Entwicklung einer
Regional- oder Minderheitensprache zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das
Ergreifen besonderer Maßnahmen zugunsten der Regional- oder
Minderheitensprachen, welche die Gleichstellung zwischen den Sprechern dieser
Sprachen und der übrigen Bevölkerung fördern sollen oder welche ihre besondere
Lage gebührend berücksichtigen, gilt nicht als diskriminierende Handlung
gegenüber den Sprechern weiter verbreiteter Sprachen.
3.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, durch geeignete Maßnahmen das gegenseitige
Verständnis zwischen allen Sprachgruppen des Landes zu fördern, indem sie
insbesondere Achtung, Verständnis und Toleranz gegenüber den Regional- oder
Minderheitensprachen in die Ziele der in ihren Ländern vermittelten Bildung und
Ausbildung einbeziehen und indem sie die Massenmedien ermutigen, dasselbe Ziel
zu verfolgen.
4.
Bei der Festlegung
ihrer Politik in bezug auf Regional- oder Minderheitensprachen berücksichtigen
die Vertragsparteien die von den Gruppen, die solche Sprachen gebrauchen,
geäußerten Bedürfnisse und Wünsche. Sie werden ermutigt, erforderlichenfalls
Gremien zur Beratung der Behörden in allen Angelegenheiten der Regional- oder
Minderheitensprachen einzusetzen.
5.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, die in den Absätzen 1 bis 4 genannten
Grundsätze sinngemäß auf nicht territorial gebundene Sprachen anzuwenden.
Jedoch werden hinsichtlich dieser Sprachen Art und Umfang der Maßnahmen, die
getroffen werden, um dieser Charta Wirksamkeit zu verleihen, flexibel
festgelegt, wobei die Bedürfnisse und Wünsche der Gruppen, die diese Sprachen
gebrauchen, berücksichtigt und ihre Traditionen und Eigenarten geachtet werden.
1.
Im Bereich der
Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche
Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder dieser
Sprachen und unbeschadet des Unterrichts der Amtssprache(n) des Staates:
a.
i.
die vorschulische
Erziehung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten
oder
ii.
einen erheblichen
Teil der vorschulischen Erziehung in den betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen anzubieten oder
iii.
eine der unter den
Ziffern i und ii vorgesehenen Maßnahmen zumindest auf diejenigen Schüler anzuwenden,
deren Familien dies verlangen, wenn die Zahl der Schüler als genügend groß
angesehen wird, oder
iv.
falls die
staatlichen Stellen keine unmittelbare Zuständigkeit im Bereich der
vorschulischen Erziehung haben, die Anwendung der unter den Ziffern i bis iii
vorgesehenen Maßnahmen zu begünstigen und/oder dazu zu ermutigen;
b.
i.
den
Grundschulunterricht in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen
anzubieten oder
ii.
einen erheblichen
Teil des Grundschulunterrichts in den betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen anzubieten oder
iii.
innerhalb des
Grundschulunterrichts den Unterricht der betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder
iv.
eine der unter den
Ziffern i bis iii vorgesehenen Maßnahmen zumindest auf diejenigen Schüler
anzuwenden, deren Familien dies verlangen, wenn die Zahl der Schüler als
genügend groß angesehen wird;
c.
i.
den Unterricht im
Sekundarbereich in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen
anzubieten oder
ii.
einen erheblichen
Teil des Unterrichts im Sekundarbereich in den betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen anzubieten oder
iii.
innerhalb des
Unterrichts im Sekundarbereich den Unterricht der betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder
iv.
eine der unter den
Ziffern i bis iii vorgesehenen Maßnahmen zumindest auf diejenigen Schüler
anzuwenden, die oder – wo dies in Betracht kommt – deren Familien dies
wünschen, wenn deren Zahl als genügend groß angesehen wird;
d.
i.
die berufliche
Bildung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder
ii.
einen erheblichen
Teil der beruflichen Bildung in den betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen anzubieten oder
iii.
innerhalb der
beruflichen Bildung den Unterricht der betreffenden Regional- oder
Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder
iv.
eine der unter den
Ziffern i bis iii vorgesehenen Maßnahmen zumindest auf diejenigen Schüler
anzuwenden, die oder – wo dies in Betracht kommt – deren Familien dies
wünschen, wenn deren Zahl als genügend groß angesehen wird;
e.
i.
an Universitäten
und anderen Hochschulen Unterricht in den Regional- oder Minderheitensprachen
anzubieten oder
ii.
Möglichkeiten für
das Studium dieser Sprachen als Studienfächer an Universitäten und anderen
Hochschulen anzubieten oder
iii.
falls wegen der
Rolle des Staates in bezug auf Hochschuleinrichtungen die Ziffern i und ii
nicht angewendet werden können, dazu zu ermutigen und/oder zuzulassen, daß an
Universitäten und anderen Hochschulen Unterricht in den Regional- oder
Minderheitensprachen oder Möglichkeiten zum Studium dieser Sprachen als
Studienfächer angeboten werden;
f.
i.
dafür zu sorgen,
daß in der Erwachsenen- und Weiterbildung Kurse angeboten werden, die überwiegend
oder ganz in den Regional- oder Minderheitensprachen durchgeführt werden, oder
ii.
solche Sprachen
als Fächer der Erwachsenen- und Weiterbildung anzubieten oder
iii.
falls die
staatlichen Stellen keine unmittelbare Zuständigkeit im Bereich der
Erwachsenenbildung haben, das Angebot solcher Sprachen als Fächer der
Erwachsenen- und Weiterbildung zu begünstigen und/oder dazu zu ermutigen;
g.
für den Unterricht
der Geschichte und Kultur, die in der Regional- oder Minderheitensprache ihren
Ausdruck finden, zu sorgen;
h.
für die Aus- und
Weiterbildung der Lehrer zu sorgen, die zur Durchführung derjenigen
Bestimmungen der Buchstaben a bis g erforderlich sind, welche die
Vertragspartei angenommen hat;
i.
ein oder mehrere
Aufsichtsorgane einzusetzen, welche die zur Einführung oder zum Ausbau des
Unterrichts der Regional- oder Minderheitensprachen getroffenen Maßnahmen und
die dabei erzielten Fortschritte überwachen und darüber regelmäßig Berichte
verfassen, die veröffentlicht werden.
2.
Im Bereich der
Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien in bezug auf andere Gebiete als
diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen herkömmlicherweise
gebraucht werden, Unterricht der Regional- oder Minderheitensprache oder
Unterricht in dieser Sprache auf allen geeigneten Bildungsstufen zuzulassen, zu
diesem Unterricht zu ermutigen oder ihn anzubieten, wenn die Zahl der Sprecher
einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt.
1.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, in bezug auf diejenigen Gerichtsbezirke, in
denen die Zahl der Einwohner, welche die Regional- oder Minderheitensprachen
gebrauchen, die nachstehenden Maßnahmen rechtfertigt, unter Berücksichtigung
der Situation jeder dieser Sprachen und unter der Bedingung, daß die Inanspruchnahme
der durch diesen Absatz gebotenen Möglichkeiten nach Auffassung des Richters
eine ordentliche Rechtspflege nicht behindert:
a.
in Strafverfahren:
i.
dafür zu sorgen,
daß die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional-
oder Minderheitensprachen durchführen, und/oder
ii.
sicherzustellen,
daß der Angeklagte das Recht hat, seine Regional- oder Minderheitensprache zu
gebrauchen, und/oder
iii.
dafür zur sorgen,
daß Anträge und Beweismittel, gleichviel ob schriftlich oder mündlich, nicht
allein aus dem Grund als unzulässig angesehen werden, weil sie in einer
Regional- oder Minderheitensprache abgefaßt sind, und/oder
iv.
auf Verlangen
Schriftstücke, die mit Gerichtsverfahren zusammenhängen, in der betreffenden
Regional- oder Minderheitensprache abzufassen,
wenn nötig durch
Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen, wodurch den Betroffenen
keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen;
b.
in
zivilrechtlichen Verfahren:
i.
dafür zu sorgen,
daß die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional-
oder Minderheitensprachen durchführen, und/oder
ii.
zuzulassen, daß
eine Prozeßpartei, wenn sie persönlich vor Gericht erscheinen muß, ihre
Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen kann, ohne daß ihr dadurch
zusätzliche Kosten entstehen, und/oder
iii.
zuzulassen, daß
Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt
werden,
wenn nötig durch
Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen;
c.
in Verfahren vor
Gerichten für Verwaltungssachen:
i.
dafür zu sorgen, daß
die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional- oder
Minderheitensprachen durchführen, und/oder
ii.
zuzulassen, daß
eine Prozeßpartei, wenn sie persönlich vor Gericht erscheinen muß, ihre Regional-
oder Minderheitensprache gebrauchen kann, ohne daß ihr dadurch zusätzliche
Kosten entstehen, und/oder
iii.
zuzulassen, daß
Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt
werden,
wenn nötig durch
Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen;
d.
dafür zu sorgen,
daß den Betroffenen durch die Anwendung des Buchstabens b Ziffern i und iii und
des Buchstabens c Ziffern i und iii sowie durch eine notwendige Inanspruchnahme
von Dolmetschern und Übersetzungen keine zusätzlichen Kosten entstehen.
2.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich:
a.
die
Rechtsgültigkeit von im Inland abgefaßten Rechtsurkunden nicht allein aus dem
Grund zu verneinen, weil sie in einer Regional- oder Minderheitensprache
abgefaßt sind, oder
b.
die Rechtsgültigkeit
von im Inland abgefaßten Rechtsurkunden im Verhältnis zwischen den Parteien
nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil die Urkunden in einer Regional-
oder Minderheitensprache abgefaßt sind, und vorzusehen, daß sie gegen
beteiligte Dritte, die diese Sprachen nicht gebrauchen, unter der Bedingung
verwendet werden können, daß ihnen der Inhalt der Urkunden von der (den)
Person(en), welche die Urkunden verwendet (verwenden), zur Kenntnis gebracht
worden ist, oder
c.
die
Rechtsgültigkeit von im Inland abgefaßten Rechtsurkunden im Verhältnis zwischen
den Parteien nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil die Urkunden in
einer Regional- oder Minderheitensprache abgefaßt sind.
3.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, die wichtigsten Gesetzestexte des Staates
sowie diejenigen, welche sich besonders auf Personen beziehen, die diese
Sprachen gebrauchen, in den Regional- oder Minderheitensprachen zur Verfügung
zu stellen, sofern sie nicht anderweitig verfügbar sind.
1.
Innerhalb der
Verwaltungsbezirke des Staates, in denen die Zahl der Einwohner, die Regional-
oder Minderheitensprachen gebrauchen, die nachstehenden Maßnahmen rechtfertigt,
und unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache verpflichten sich die
Vertragsparteien, im Rahmen des Zumutbaren:
a.
i.
sicherzustellen,
daß die Verwaltungsbehörden die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen,
oder
ii.
sicherzustellen,
daß diejenigen ihrer Bediensteten, die unmittelbaren Kontakt zur Bevölkerung
haben, die Regional- oder Minderheitensprachen in ihrem Umgang mit Personen
gebrauchen, die sich in diesen Sprachen an sie wenden, oder
iii.
sicherzustellen,
daß Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen
Sprachen mündliche oder schriftliche Anträge stellen und eine Antwort erhalten
können, oder
iv.
sicherzustellen,
daß Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen
Sprachen mündliche oder schriftliche Anträge stellen können, oder
v.
sicherzustellen, daß
Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen
Sprachen abgefaßte Urkunden rechtsgültig vorlegen können;
b.
allgemein
verwendete Verwaltungsbestimmungen und -formulare für die Bevölkerung in den
Regional- oder Minderheitensprachen oder zweisprachig zur Verfügung zu stellen;
c.
zuzulassen, daß
die Verwaltungsbehörden Schriftstücke in einer Regional- oder
Minderheitensprache abfassen.
2.
In bezug auf die
örtlichen und regionalen Behörden, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich die
Zahl der Einwohner, welche die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen,
die nachstehenden Maßnahmen rechtfertigt, verpflichten sich die
Vertragsparteien, folgendes zuzulassen und/oder dazu zu ermutigen:
a.
den Gebrauch von
Regional- oder Minderheitensprachen innerhalb der regionalen oder örtlichen
Behörde;
b.
die Möglichkeit,
daß Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, mündliche
oder schriftliche Anträge in diesen Sprachen stellen;
c.
die
Veröffentlichung der amtlichen Schriftstücke der regionalen Behörden durch
diese auch in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen;
d.
die
Veröffentlichung der amtlichen Schriftstücke der örtlichen Behörden durch diese
auch in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen;
e.
den Gebrauch von
Regional- oder Minderheitensprachen durch die regionalen Behörden in deren
Ratsversammlungen, ohne jedoch den Gebrauch der Amtssprache(n) des Staates
auszuschließen;
f.
den Gebrauch von
Regional- oder Minderheitensprachen durch die örtlichen Behörden in deren
Ratsversammlungen, ohne jedoch den Gebrauch der Amtssprache(n) des Staates
auszuschließen;
g.
den Gebrauch oder
die Annahme der herkömmlichen und korrekten Formen von Ortsnamen in Regional-
oder Minderheitensprachen, wenn nötig in Verbindung mit dem Namen in der (den)
Amtssprache(n).
3.
In bezug auf die
öffentlichen Dienstleistungen, die von den Verwaltungsbehörden selbst oder in
deren Auftrag erbracht werden, verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem
Gebiet, in dem Regional- oder Minderheitensprachen gebraucht werden, unter
Berücksichtigung der Situation jeder Sprache und im Rahmen des Zumutbaren:
a.
sicherzustellen,
daß die Regional- oder Minderheitensprachen bei der Erbringung der
Dienstleistung gebraucht werden, oder
b.
zuzulassen, daß
Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen
Sprachen einen Antrag stellen und eine Antwort erhalten, oder
c.
zuzulassen, daß
Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen
Sprachen einen Antrag stellen.
4.
Die Vertragsparteien
verpflichten sich, eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zu treffen, um die
von ihnen angenommenen Bestimmungen der Absätze 1, 2 und 3 in Kraft zu setzen:
a.
Übersetzen oder
Dolmetschen je nach Bedarf;
b.
Einstellung und,
soweit erforderlich, Ausbildung der benötigten Beamten und sonstigen
Angehörigen des öffentlichen Dienstes;
c.
nach Möglichkeit
Erfüllung der Wünsche von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die über
Kenntnisse in einer Regional- oder Minderheitensprache verfügen, in dem Gebiet
eingesetzt zu werden, in dem diese Sprache gebraucht wird.
5.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, den Gebrauch oder die Annahme von
Familiennamen in den Regional- oder Minderheitensprachen auf Antrag der
Betroffenen zuzulassen.
1.
Die Vertragsparteien
verpflichten sich, für die Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen in
den Gebieten, in denen diese Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung
der Situation jeder Sprache und in dem Ausmaß, in dem die staatlichen Stellen
in diesem Bereich unmittelbar oder mittelbar Zuständigkeit, Befugnisse oder
Einfluß haben, unter Achtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit und Autonomie
der Medien folgende Maßnahmen zu treffen:
a.
soweit Hörfunk und
Fernsehen eine öffentliche Aufgabe erfüllen:
i.
die Einrichtung
mindestens eines Hörfunksenders und eines Fernsehkanals in den Regional- oder
Minderheitensprachen sicherzustellen oder
ii.
zur Einrichtung
mindestens eines Hörfunksenders und eines Fernsehkanals in den Regional- oder
Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder
iii.
angemessene
Vorkehrungen dafür zu treffen, daß Rundfunkveranstalter Sendungen in den
Regional- oder Minderheitensprachen anbieten;
b.
i.
zur Einrichtung mindestens
eines Hörfunksenders in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen
und/oder sie zu erleichtern oder
ii.
zur regelmäßigen
Ausstrahlung von Hörfunksendungen in den Regional- oder Minderheitensprachen zu
ermutigen und/oder sie zu erleichtern;
c.
i.
zur Einrichtung
mindestens eines Fernsehkanals in den Regional- oder Minderheitensprachen zu
ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder
ii.
zur regelmäßigen
Ausstrahlung von Fernsehsendungen in den Regional- oder Minderheitensprachen zu
ermutigen und/oder sie zu erleichtern;
d.
zur Produktion und
Verbreitung von Audio- und audiovisuellen Werken in den Regional- oder
Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern;
e.
i.
zur Schaffung
und/oder Erhaltung mindestens einer Zeitung in den Regional- oder
Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder
ii.
zur regelmäßigen
Veröffentlichung von Zeitungsartikeln in den Regional- oder
Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern;
f.
i.
die zusätzlichen
Kosten derjenigen Medien zu decken, die Regional- oder Minderheitensprachen
gebrauchen, wenn das Recht eine finanzielle Hilfe für die Medien allgemein
vorsieht, oder
ii.
die bestehenden
Maßnahmen finanzieller Hilfe auf audiovisuelle Produktionen in Regional- oder Minderheitensprachen
zu erstrecken;
g.
die Ausbildung von
Journalisten und anderem Personal für Medien zu unterstützen, die Regional-
oder Minderheitensprachen gebrauchen.
2.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, den freien direkten Empfang von Hörfunk-
und Fernsehsendungen aus Nachbarländern in einer Sprache zu gewährleisten, die
in derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache
gebraucht wird, und die Weiterverbreitung von Hörfunk- und Fernsehsendungen aus
Nachbarländern in einer solchen Sprache nicht zu behindern. Sie verpflichten
sich ferner, sicherzustellen, daß die Freiheit der Meinungsäußerung und die
freie Verbreitung von Informationen in den Printmedien in einer Sprache, die in
derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache
gebraucht wird, keiner Einschränkung unterworfen werden. Da die Ausübung der
erwähnten Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie
bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen
oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen
Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen
Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der
Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der
Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind,
um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen
und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.
3.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, sicherzustellen, daß die Interessen der
Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen innerhalb etwaiger im Einklang
mit dem Gesetz geschaffener Gremien, die für die Gewährleistung von Freiheit
und Pluralismus der Medien verantwortlich sind, vertreten oder berücksichtigt
werden.
1.
In bezug auf
kulturelle Einrichtungen und Tätigkeiten – insbesondere Bibliotheken,
Videotheken, Kulturzentren, Museen, Archive, Akademien, Theater und Kinos sowie
literarische Werke und Filmproduktionen, volkstümliche Formen des kulturellen
Ausdrucks, Festspiele und die Kulturindustrien, einschließlich unter anderem
des Einsatzes neuer Technologien – verpflichten sich die Vertragsparteien, in
dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, in dem Ausmaß, in dem die
staatlichen Stellen in diesem Bereich Zuständigkeit, Befugnisse oder Einfluß
haben:
a.
zu den Regional-
oder Minderheitensprachen eigenen Formen des Ausdrucks und der Initiative zu
ermutigen sowie die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in diesen
Sprachen geschaffenen Werken zu fördern;
b.
die verschiedenen
Zugangsmöglichkeiten zu den in Regional- oder Minderheitensprachen geschaffenen
Werken in anderen Sprachen zu fördern, indem sie Tätigkeiten auf dem Gebiet der
Übersetzung, Synchronisation, Nachsynchronisation und Untertitelung
unterstützen und ausbauen;
c.
in Regional- oder
Minderheitensprachen den Zugang zu Werken zu fördern, die in anderen Sprachen
geschaffen worden sind, indem sie Tätigkeiten auf dem Gebiet der Übersetzung,
Synchronisation, Nachsynchronisation und Untertitelung unterstützen und
ausbauen;
d.
sicherzustellen,
daß die für die Veranstaltung oder Unterstützung kultureller Tätigkeiten verschiedener
Art verantwortlichen Gremien bei den Unternehmungen, die sie ins Leben rufen
oder unterstützen, in angemessener Weise dafür sorgen, daß die Kenntnis und der
Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen sowie Regional- oder
Minderheitenkulturen berücksichtigt werden;
e.
Maßnahmen zu
fördern, um sicherzustellen, daß die für die Veranstaltung oder Unterstützung
kultureller Tätigkeiten verantwortlichen Gremien über Personal verfügen, das
die betreffende Regional- oder Minderheitensprache sowie die Sprache(n) der
übrigen Bevölkerung beherrscht;
f.
zur unmittelbaren
Mitwirkung von Vertretern der Sprecher einer bestimmten Regional- oder
Minderheitensprache bei der Bereitstellung von Einrichtungen und der Planung
kultureller Tätigkeiten zu ermutigen;
g.
zur Schaffung
eines oder mehrerer Gremien, die für die Sammlung, Aufbewahrung und Aufführung
oder Veröffentlichung von in den Regional- oder Minderheitensprachen
geschaffenen Werken verantwortlich sind, zu ermutigen und/oder sie zu
erleichtern;
h.
wenn nötig
Übersetzungs- und Terminologieforschungsdienste zu schaffen und/oder zu fördern
und zu finanzieren, insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung und Entwicklung
geeigneter Terminologie in jeder Regional- oder Minderheitensprache für die
Bereiche Verwaltung, Handel, Wirtschaft, Gesellschaft, Technik oder Recht.
2.
In bezug auf
andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen
herkömmlicherweise gebraucht werden, verpflichten sich die Vertragsparteien,
wenn die Zahl der Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache dies
rechtfertigt, geeignete kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen in
Übereinstimmung mit Absatz 1 zuzulassen, dazu zu ermutigen und/oder sie
vorzusehen.
3.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Verfolgung ihrer Kulturpolitik im
Ausland Regional- oder Minderheitensprachen und die in ihnen zum Ausdruck
kommenden Kulturen angemessen zu berücksichtigen.
1.
In bezug auf
wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten verpflichten sich die Vertragsparteien,
im ganzen Land:
a.
aus ihrem Recht
jede Bestimmung zu entfernen, die den Gebrauch von Regional- oder
Minderheitensprachen in Urkunden betreffend das wirtschaftliche oder soziale
Leben, insbesondere Arbeitsverträge, sowie in technischen Schriftstücken wie
Gebrauchsanweisungen für Erzeugnisse oder Anlagen ungerechtfertigt verbietet
oder einschränkt;
b.
die Aufnahme von
Klauseln, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen ausschließen
oder einschränken, in innerbetriebliche Vorschriften und Privaturkunden
zumindest zwischen Personen, die dieselbe Sprache gebrauchen, zu verbieten;
c.
Praktiken
entgegenzutreten, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen im
Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder sozialen Tätigkeiten behindern sollen;
d.
den Gebrauch von
Regional- oder Minderheitensprachen durch andere als die unter den Buchstaben a
bis c genannten Mittel zu erleichtern und/oder dazu zu ermutigen.
2.
In bezug auf
wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten verpflichten sich die Vertragsparteien,
insoweit die staatlichen Stellen zuständig sind, in dem Gebiet, in dem die
Regional- oder Minderheitensprachen gebraucht werden, im Rahmen des Zumutbaren:
a.
in ihre Finanz-
und Bankvorschriften Bestimmungen aufzunehmen, die im Wege von Verfahren,
welche mit den Handelsbräuchen vereinbar sind, den Gebrauch von Regional- oder
Minderheitensprachen beim Ausstellen von Zahlungsanweisungen (Schecks, Wechseln
usw.) oder sonstigen Finanzdokumenten ermöglichen, oder, wo dies in Betracht kommt,
die Durchführung solcher Bestimmungen sicherzustellen;
b.
in den ihrer
unmittelbaren Kontrolle unterstehenden Wirtschafts- und Sozialbereichen
(öffentlicher Sektor) Maßnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder
Minderheitensprachen zu ergreifen;
c.
sicherzustellen,
daß soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altersheime und Heime die
Möglichkeit bieten, Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache, die
aufgrund von Krankheit, Alter oder aus anderen Gründen der Betreuung bedürfen,
in deren eigener Sprache aufzunehmen und zu behandeln;
d.
durch geeignete
Mittel sicherzustellen, daß Sicherheitsvorschriften auch in Regional- oder
Minderheitensprachen zugänglich sind;
e.
dafür zu sorgen,
daß Informationen der zuständigen staatlichen Stellen über die Rechte der
Verbraucher in Regional- oder Minderheitensprachen erhältlich sind.
Die
Vertragsparteien verpflichten sich:
a.
bestehende zwei-
und mehrseitige Übereinkünfte anzuwenden, die sie mit den Staaten verbinden, in
denen dieselbe Sprache in derselben oder ähnlicher Form gebraucht wird, oder
sich, wenn nötig, um den Abschluß solcher Übereinkünfte zu bemühen, um dadurch
Kontakte zwischen den Sprechern derselben Sprache in den betreffenden Staaten
in den Bereichen Kultur, Bildung, Information, berufliche Bildung und
Weiterbildung zu fördern;
b. zugunsten von Regional- oder
Minderheitensprachen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere
zwischen regionalen oder örtlichen Behörden, zu erleichtern und zu fördern, in
deren örtlichem Zuständigkeitsbereich dieselbe Sprache in derselben oder
ähnlichen Form gebraucht wird.
1.
Die
Vertragsparteien legen dem Generalsekretär des Europarats in einer vom
Ministerkomitee zu bestimmenden Form in regelmäßigen Abständen einen Bericht
über ihre in Übereinstimmung mit Teil II dieser Charta verfolgte Politik und
über die in Anwendung der von ihnen angenommenen Bestimmungen des Teiles III
getroffenen Maßnahmen vor. Der erste Bericht wird innerhalb des Jahres
vorgelegt, das auf das Inkrafttreten der Charta für die betreffende
Vertragspartei folgt, die weiteren Berichte in Abständen von drei Jahren nach
Vorlage des ersten Berichts.
2.
Die
Vertragsparteien veröffentlichen ihre Berichte.
1.
Die dem
Generalsekretär des Europarats nach Artikel 15 vorgelegten Berichte werden von
einem nach Artikel 17 eingesetzten Sachverständigenausschuß geprüft.
2.
In einer
Vertragspartei rechtmäßig gegründete Organisationen oder Vereinigungen können
den Sachverständigenausschuß auf Fragen aufmerksam machen, die sich auf die von
der betreffenden Vertragspartei nach Teil III dieser Charta eingegangenen
Verpflichtungen beziehen. Nach Konsultation der betroffenen Vertragspartei kann
der Sachverständigenausschuß diese Informationen bei der Ausarbeitung des in
Absatz 3 genannten Berichts berücksichtigen. Diese Organisationen oder
Vereinigungen können außerdem Erklärungen zu der von einer Vertragspartei in
Übereinstimmung mit Teil II verfolgten Politik vorlegen.
3.
Auf der Grundlage
der in Absatz 1 genannten Berichte und der in Absatz 2 erwähnten Informationen
arbeitet der Sachverständigenausschuß einen Bericht für das Ministerkomitee
aus. Diesem Bericht werden die Stellungnahmen, um welche die Vertragsparteien
ersucht wurden, beigefügt; er kann vom Ministerkomitee veröffentlicht werden.
4.
Der in Absatz 3
genannte Bericht enthält insbesondere die Vorschläge des Sachverständigenausschusses
an das Ministerkomitee für die Ausarbeitung von etwa erforderlichen
Empfehlungen des Ministerkomitees an eine oder mehrere Vertragsparteien.
5. Der Generalsekretär des Europarats erstattet der
Parlamentarischen Versammlung alle zwei Jahre ausführlich Bericht über die
Anwendung der Charta.
1.
Der
Sachverständigenausschuß besteht aus einem Mitglied je Vertragspartei, das vom
Ministerkomitee aus einer Liste von durch die betreffende Vertragspartei
vorgeschlagenen Persönlichkeiten von höchster Integrität und anerkannter
Sachkenntnis in den durch die Charta erfaßten Angelegenheiten ausgewählt wird.
2.
Die Mitglieder des
Ausschusses werden für die Dauer von sechs Jahren ernannt; Wiederernennung ist
zulässig. Kann ein Mitglied seine Amtszeit nicht beenden, so wird es nach dem
in Absatz 1 festgelegten Verfahren ersetzt; das an seine Stelle tretende
Mitglied vollendet die Amtszeit seines Vorgängers.
3.
Der
Sachverständigenausschuß gibt sich eine Geschäftsordnung. Sein Sekretariat wird
durch den Generalsekretär des Europarats versehen.
Diese Charta
liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf. Sie bedarf
der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder
Genehmigungsurkunden werden beim Generalseleretär des Europarats hinterlegt.
1.
Diese Charta tritt
am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten
nach dem Tag folgt, an dem fünf Mitgliedstaaten des Europarats nach Artikel 18
ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch die Charta gebunden zu sein.
2.
Für jeden
Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch die Charta gebunden
zu sein, tritt sie am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen
Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-
oder Genehmigungsurkunde fogt.
1.
Nach Inkrafttreten
dieser Charta kann das Ministerkomitee des Europarats jeden Nichtmitgliedstaat
des Europarats einladen, der Charta beizutreten.
2.
Für jeden
beitretenden Staat tritt die Charta am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf
einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde
beim Generalsekretär des Europarats folgt.
1.
Jeder Staat kann
bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-,
Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einen oder mehrere Vorbehalte zu
Artikel 7 Absätze 2 bis 5 anbringen. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
2. Jeder Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach
Absatz 1 angebracht hat, kann ihn durch eine an den Generalsekretär des
Europarats gerichtete Notifikation ganz oder teilweise zurücknehmen. Die
Rücknahme wird mit dem Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.
1.
Jede
Vertragspartei kann diese Charta jederzeit durch eine an den Generalsekretär
des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
2.
Die Kündigung wird
am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten
nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Der
Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und
jedem Staat, der dieser Charta beigetreten ist:
a.
jede
Unterzeichnung;
b.
jede Hinterlegung
einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
c.
jeden Zeitpunkt
des Inkrafttretens dieser Charta nach den Artikeln 19 und 20;
d.
jede nach Artikel
3 Absatz 2 eingegangene Notifikation;
e.
jede andere
Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit dieser Charta.
Zu Urkund
dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten diese Charta
unterschrieben.
Geschehen zu Straßburg am 5. November 1992 in englischer und französischer
Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer
Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär
des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats und allen zum
Beitritt zu dieser Charta eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.